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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Nummernschild erkannt?«
    »Draußen dunkel. Großes Auto, weiß, mit Wörtern und Bild.«
    |121| Ich musste mich sehr beherrschen, sie nicht zu umarmen.
    »Was für Wörter? Was für ein Bild?«
    »
Sorry
, aber ich nicht lesen.« Sie wurde rot.
    »Und das Bild?«
    »Das ja, ein Tier aus Cartoon   …«
    »Micky Maus? Donald Duck?«
    »Nein, wie Hund   … wie heißt
fox?«
    »Ein Fuchs?«
    Ja, ein Fuchs. Sie ahmte den Gesichtsausdruck des Tieres nach, indem sie ein Auge zukniff und listig lächelte. Ihre Angst war wie weggeblasen, sie wirkte erleichtert. Mir geholfen zu haben hatte auch Hoogy geholfen. Ich bedankte mich und sah Schwester Caterina an, die mir freundlich zulächelte. Sie war sehr zufrieden mit ihren Schützlingen. Doch dann sagte Lara etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ: »Du guter Mann. Du musst Wahrheit wissen. Jasmine ist nicht bei dir geblieben, weil denkt, dass eine Nutte nicht gut für deine Liebe.«
     
    »…   dass eine Nutte nicht gut für deine Liebe«, murmelte ich vor mich hin. Wohl nicht leise genug, denn Tony rief mich in die Gegenwart zurück: »Alles in Ordnung, Bacci?«
    Ich musste wie ein Geist ausgesehen haben, besoffen und völlig verstört. Diesen Satz wurde ich einfach nicht los. Unzählige Male hatte ich versucht, ihn aus meinem Gehirn zu streichen, doch er kam immer wieder hoch. Ich hielt ein leeres Glas in der Hand. Ohne es zu merken, hatte ich einen vierten Negroni in mich hineingeschüttet.
    »Alles o. k.«, lallte ich, quälte mich vom Barhocker und prüfte, ob ich noch stehen konnte. Dann zahlte ich die Rechnung. Nach und nach füllte sich die Bar. Einige Neuankömmlinge grüßten mich, ihre Blicke sprachen Bände. |122| Mein Zustand war nicht zu übersehen. Tony beugte sich über den Tresen und flüsterte: »Pass auf, dass du keinen Fehler machst.«
    Ich verstand nicht.
    »Manchmal sind Nutten besser als die anderen.«
    Ich lächelte nur und nickte, sagte aber nichts. Dann rappelte ich mich auf, griff nach meinen Einkaufstüten und schwankte nach Hause. Auf dem Weg noch beim »Capitano« vorbeizuschauen wäre zu viel gewesen. Auch Betrunkene hatten ihre Rechte. Zurück in meiner Wohnung räumte ich die Einkäufe in den Kühlschrank und ging dann in mein Arbeitszimmer. Das rote Lämpchen des Anrufbeantworters leuchtete. Neue Nachrichten. Ich setzte mich auf den Drehstuhl und ließ meine Finger liebevoll über die Pfeifen gleiten, die akkurat auf dem Schreibtisch aufgereiht waren. Welche würde die Ehre haben, diesen verdammten Tag zu krönen?
    Ich entschied mich für eine elegante Meerschaumpfeife, die mir meine Eltern zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatten. Ich hatte ihn im Hochsicherheitsgefängnis in Novara verbracht. »Eine Meerschaumpfeife raucht man zu Hause. Deine Mutter und ich haben sie ausgesucht, weil wir hoffen, dass du möglichst schnell wieder bei uns bist«, hatte mein Vater damals gesagt. Ein Teil meiner Haftzeit wurde mir zwar erlassen, rechtzeitig nach Hause kam ich aber trotzdem nicht mehr. Als ich wieder draußen war, waren sie beide tot.
    Während ich die Pfeife stopfte, wurde mir bewusst, dass ich nie das Glücksgefühl erlebte hatte, endlich volljährig zu sein. Der italienische Staat hatte mir, wie so vieles andere, auch die Volljährigkeit geraubt. Als ich achtzehn war, lag die Grenze noch bei einundzwanzig Jahren. Kurze Zeit später wurde sie auf achtzehn herabgesetzt, sodass es nichts mehr bedeutete, einundzwanzig zu werden. So |123| ein Blödsinn ging mir durch den Kopf. Damals saß ich im Hochsicherheitstrakt. Volljährig hin oder her, im Knast war das egal.
    Ich zündete die Pfeife an und drückte auf die Abspieltaste des Anrufbeantworters. Dann schloss ich die Augen und nahm einen tiefen Zug. Langsam füllte sich der Raum mit dem würzigen Duft des englischen Tabaks. Jetzt ging es mir besser.
    Die erste Nachricht war von Mara, die wissen wollte, wo ich mich herumtrieb, außerdem lud sie mich am Samstag zum Abendessen ein.
    Die zweite war von Olindo Grandi, der mich mit aufgeregter Stimme um einen Besuch bat.
    Die dritte Nachricht stammte von meinem Auftraggeber. In seinem harten Italienisch sagte er: »Buongiorno,
Herr
Pagano, hier Professor Hessen. Ich hoffe, Ihrer Freundin geht es gut. Sobald es Neuigkeiten gibt, rufen Sie mich bitte an. Hier ist meine Nummer   …«
    Es folgte eine nicht enden wollende Folge von Ziffern, länger noch als die aneinandergereihten Ziffern auf seinen Schecks. Er war offenbar

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