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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Flucht.
    Im rechten Arm steckte eine Kanüle, von der ein dünner Schlauch zu einer Infusionsflasche führte. An ihren Handgelenken hatte der Eisendraht, mit dem sie gefesselt worden war, tiefe Wunden hinterlassen. Ein Hämatom entstellte ihr Gesicht, das linke Jochbein und das linke Auge waren geschwollen, aber die Schwellung schien bereits zurückzugehen. Ihrem Peiniger hatte es offensichtlich Spaß gemacht, sie zu quälen. Er hatte ihr nur die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, ansonsten hatte sie sich in dem düsteren Kellergewölbe frei bewegen können. Dadurch war seine sadistische Lust nur noch mehr angestachelt worden. Jasmine war seinen Attacken schutzlos |164| ausgeliefert gewesen. Die Ärzte hatten auf Bauch und Rücken blutunterlaufene Striemen entdeckt, die darauf schließen ließen, dass sie wiederholt ausgepeitscht worden war. Außerdem hatte die Polizei einen Ochsenziemer sichergestellt.
    Noch immer konnte ich meinen Blick nicht abwenden. Vielleicht erhoffte ich mir in meinem Wahn, mit ihrem in fernen Sphären schwebenden Gehirn Kontakt aufnehmen zu können. Meine Gedanken begannen im Zimmer umherzuschweifen. Mit einem Schlag tauchte die Erinnerung an den Tag ihrer Befreiung auf, wie aus dem Nichts, wie ein Kobold, der urplötzlich aus der Finsternis hervorspringt.
     
    Als ich damals das Istituto Belvedere verließ, war ich bester Stimmung, ja fast euphorisch gewesen. Natürlich bedurfte es noch akribischer Ermittlungsarbeit, aber ich war der Lösung einen großen Schritt nähergekommen. Hoogy hatte mir erzählt, dass Jasmine in einem weißen Auto weggebracht worden war, einem Kombi mit einer Aufschrift und dem Bild eines zwinkernden Fuchses auf der Tür. Ich fuhr nach Hause und begann die Telefonbücher durchzusehen, erst das Örtliche, dann die Gelben Seiten. Ich suchte fieberhaft nach den Begriffen Volpe, Fuchs, Renard oder Fox, fand aber nichts. Nach fast einer Stunde war mir klar, dass ich so nicht weiterkam. Vor allem weil sich meine Suche nur auf Genua beschränkt hatte: Jasmine konnte genauso gut in einer anderen Gegend gefangen gehalten werden. Was die Aufschrift auf der Autotür anging, tappte ich ebenfalls völlig im Dunkeln.
    Ich beschloss, Pertusiello anzurufen und ihn um Hilfe zu bitten. Ich berichtete von Hoogy und ließ nicht locker, bis er mir versicherte, dass sich seine Leute unverzüglich an die Arbeit machen würden. Aber ich musste auch selbst |165| etwas tun. Ich rief Essam an und wir verabredeten uns bei ihm zu Hause, um eine Internet-Recherche durchzuführen. Er wohnte in einem engen Gässchen hinter der Coro delle Vigne.
    Essam war allein zu Hause, seine Mutter Zainab besuchte ihren älteren Sohn, der mit seiner Freundin eine gemeinsame Wohnung in der Nähe der Piazza Di Negro hatte. Wir surften auf gut Glück im Internet, in der Hoffnung, auf einer Seite zu landen, auf der ein verschmitzt lächelnder Fuchs als Firmenlogo zu sehen war. Wir gaben alle möglichen Suchbegriffe zum Thema Fuchs ein, aber ohne Erfolg. Nichts, zumindest nichts Brauchbares.
    Nach einer Viertelstunde sah mich Essam von der Seite an und fragte: »Hast du nicht gesagt, es könnte auch ein Cartoon sein?«
    »Die junge Frau meinte, ja.«
    »In welchem Cartoon spielt ein Fuchs eine Hauptrolle?«
    Seine tintenschwarzen Augen blitzten. Ganz klar, für ihn hatte das Duell begonnen: Wer von uns hatte die bessere Spürnase?
    »Was weiß ich? Ich habe den letzten Cartoon gesehen, als Aglaja ein kleines Mädchen war.«
    »Eben.«
    Ich versuchte mich zu erinnern. Meine Tochter und ich hatten viele Stunden vor dem Fernseher verbracht: ›Schneewittchen‹, ›Aschenbrödel‹, ›Die Schöne und das Biest‹, ›König der Löwen‹, ›Die Hexe und der Zauberer‹, ›Dumbo‹   …
    »Verdammt, es ist ›Robin Hood‹!«
    »Genau.« Er lächelte mich spitzbübisch an, stolz, dass er mir einen Schritt voraus war.
    Wir forschten weiter, die Liste der Einträge war endlos. Es war wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Eine heiße Spur würden wir auf diesem Wege nicht finden.
    |166| Essam war in seinem Element. Er ließ die Finger über die Tasten fliegen, bis wir endlich drei relevante Adressen herausgefiltert hatten. Ein Umzugsunternehmen aus Meran, ein Installateur aus Gioia del Colle und eine Firma, die Elektronikteile herstellte, mit Sitz in Piazza Armerina auf Sizilien. Alle drei hatten ein Logo, das Robin Hoods Fuchsgesicht aus dem gleichnamigen Walt-Disney-Film zeigte. Doch alle Orte waren

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