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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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gab ich ihm zu verstehen: »Einen Mucks und ich blas dir das Gehirn raus!«
    Er hob den Kopf und sah mich mit vor Schreck geweiteten Augen an. Wie erstarrt verharrte er auf seinem Sitz. Ich setzte mich auf die Rückbank direkt hinter ihn, entsicherte die Pistole und drückte sie ihm in die linke Seite, und zwar so, dass man sie von außen nicht sehen konnte.
    »Wir können fahren«, sagte ich ganz ruhig.
    Endlich hörte ich seine Stimme: »Wohin?«
    »Zu Jasmine.«
    Der Gedanke, dass ich es mit einem kranken Typen zu tun hatte, beruhigte mich. Ein Perverser, der für viel Geld eine Frau kauft, um sie dann zu quälen, war bestimmt kein Held. Und tatsächlich startete er widerstandslos das Auto, wendete und reihte sich, ohne zu blinken, in die Wagenkolonne in Richtung Staglieno ein.
    Aber die Trümpfe hatte er in der Hand, da machte ich mir keine Illusionen. Ich wusste nicht, wo er Jasmine versteckt hielt, und ich war sicher, dass er die Leute von der Organisation über mein Kommen informiert hatte. Wenn Randazzo clever war, fuhr er mich irgendwohin, während die anderen alle Spuren verwischten. Ich musste ihn überzeugen, genau das nicht zu tun, sondern mich auf dem schnellsten Weg zu Jasmines Versteck zu führen. »Hör gut zu, mein Freund, ich will dir genau sagen, um was es mir geht.«
    |172| Er nickte stumm.
    »Ich liebe Jasmine, und um sie zu retten, tue ich alles.«
    Keine Reaktion. Er fuhr weiter und starrte dabei konzentriert auf die Straße, auch wenn wir nur im Schritttempo vorankamen.
    »Ich knall dich ab wie einen räudigen Hund, wenn ich sie nicht lebend wiedersehe.«
    Er nickte wieder, das Lenkrad hielt er fest umklammert, nach wie vor hoch konzentriert.
    »Wenn wir aber noch vor deinen Freunden bei Jasmine sind, dann lass ich dich laufen, ohne die Polizei einzuschalten. Was meinst du?«
    »Ich fürchte, dazu ist es schon zu spät.«
    »Nicht unbedingt. Ruf noch mal an, versuch sie aufzuhalten. Sag ihnen, es war falscher Alarm.«
    »Wenn ich sie mit dem Handy anrufe, wissen sie sofort Bescheid.«
    Ich spürte, dass er kooperationsbereit war. Die Angst vor dem Tod war stärker als alles andere.
    »Nimm meines und sag, du hättest es in einer Bar geklaut.«
    Er dachte kurz nach und sagte dann: »Wenn sie das rauskriegen, bringen sie mich um.«
    »Auch wenn du eine perverse Drecksau bist: Ich verspreche dir, dich in Sicherheit zu bringen. Ich kaufe dir ein Flugticket und du verschwindest aus meinem Leben.«
    »Das würdest du tun?«
    »Ja.« Ich gab ihm das Handy. »Reiß dich zusammen und versuch, möglichst überzeugend zu klingen.«
    Randazzo griff mit der rechten Hand nach dem Telefon, die linke blieb am Steuer. Er zitterte. In diesem Zustand würde er nicht einmal die Nummer wählen können.
    »Reiß dich zusammen und diktier mir die Nummer.«
    Er tat jetzt alles, was ich wollte. Er gab mir das Handy |173| zurück und ich tippte die Ziffern ein. Inzwischen hatten wir Staglieno passiert und waren in die Via Lungobisagno in Richtung Molassana eingebogen. Der Verkehr war immer noch dicht, aber wir kamen jetzt schneller voran.
    Das Gespräch war kurz. »Ich bin’s noch mal.« Pause. »Falscher Alarm. Es war ein Kunde.« Wieder Pause. »Ich habe das Handy in einer Bar geklaut, keine Angst, ich nehme die Karte gleich raus und entsorge sie.« Dritte Pause. »Wo seid ihr?« Nach der vierten Pause wurde er laut. »Ich will was haben für mein Geld, schließlich hab ich ein Vermögen für sie hingeblättert.« Sein Gesprächspartner schien wenig beeindruckt. »Ja, stimmt schon, ich war zu voreilig. Es wird nicht wieder vorkommen.«
    Er beendete das Gespräch und gab mir das Handy zurück.
    »Sie haben mir geglaubt. Deine Jasmine ist gerettet.«

|174| April
    Genua, April 1944
     
    Sie musste es ihm sagen. Schon zweimal hatte sie angesetzt und dann doch geschwiegen.
    Der Cognac hatte ihr Mut gemacht. Hessen erzählte ohnehin immer nur das gleiche wirre Zeug. Er tat so, als ob die Deutschen den Krieg schon verloren hätten und der Frieden eingekehrt wäre. Für die auf dem Schlachtfeld sterbenden jungen Menschen hatte er nur ein mitleidiges Lächeln übrig.
    »Ein Soldat, der nicht an den Krieg glaubt, in dem er kämpft«, hatte sie gehöhnt, »sollte entweder seinen Abschied nehmen oder erschossen werden.« Sie war selbstsicherer geworden und hatte keinerlei Scheu mehr, ihm ihre wahren Gefühle zu zeigen. Hessen hatte ihr erzählt, dass er mit seinen
Kameraden
im Kino gewesen war, um sich in der Wochenschau das

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