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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Männerstimme mit starkem slawischen Akzent. »Halt’s Maul, du blöde Kuh.« Dann ein Schlag, ein unterdrückter Schrei und ein dumpfer Aufprall.
    Ich riss die Tür auf. Mattes Licht empfing mich. Ein Lagerraum, Holzwände, rauer Betonboden, vollgestopft mit alten Möbeln. Ein staubiges Sofa, ein mit einem weißen Tuch abgedeckter Sessel und ein aufgerollter schmutziger Teppich. Normalerweise verdeckte der Teppich eine Falltür, die jetzt offen stand. Das Licht kam aus dem Raum darunter. Flach auf den Boden gedrückt, robbte ich vorsichtig in Richtung Falltür. Ich blickte nach unten und sah direkt in die Augen eines Mannes, der mit gezogener Waffe die Treppe heraufstürzte. Er drückte sofort ab. Gerade noch rechtzeitig gelang es mir, mich zur Seite zu rollen und Deckung zu suchen. Er feuerte ununterbrochen, die Kugeln schlugen hinter, neben und über mir in die Wände ein. Steine und Putz barsten, Splitter regneten auf mich herab. Ich erwiderte das Feuer. Der erste Schuss ging ins Leere, aber der zweite hatte ihn wohl getroffen. Ein Schrei, dann hörte ich, wie ein Körper die Treppe herunterrutschte. Als ich nach unten schaute, sah ich ihn. Die Arme weit ausgestreckt, lag er auf dem Boden, die Pistole war ihm aus der Hand geglitten. Ich hörte ihn stöhnen und fluchen, verstehen konnte ich ihn aber nicht.
    Ich sprang auf und eilte die Treppe hinunter, jederzeit schussbereit.
    Jasmine lag mitten im Raum, das Gesicht gegen den |189| grauen Steinfußboden gepresst, die Hände mit Eisendraht hinter dem Rücken gefesselt. Ich ging um den Mann herum und nahm die Waffe an mich, dann war ich bei ihr. Sie hatte das Bewusstsein verloren, atmete aber noch. Am Hinterkopf klaffte eine Wunde, ihre schwarzen Haare waren mit Blut getränkt. Der Mann musste mit dem Pistolenknauf zugeschlagen haben. Allein die Angst, ein Schuss könnte ihn verraten, hatte ihr das Leben gerettet. Die Handgelenke waren so fest zusammengebunden, dass der Draht tief ins Fleisch geschnitten hatte. Bis auf ein durchscheinendes rosafarbenes Babydoll war Jasmine nackt. Ein bizarres Bild. Blutergüsse und tiefe rote Striemen bedeckten ihren Körper. Behutsam löste ich den Eisendraht, versuchte, sie nicht zu bewegen, da ich nicht wusste, ob sie innere Verletzungen hatte. Ich zog die Jacke aus und breitete sie über sie. Dann kauerte ich mich neben Jasmine auf den Boden, streichelte ihre Schultern und wartete auf die Polizei.
    Der fensterlose Keller wurde durch eine dreckverkrustete Glühbirne, die lose von der Decke herabhing, nur spärlich beleuchtet. Ein Gemisch aus Schweiß- und Modergestank lag in der Luft. Bis auf leere hölzerne Wandregale, einen wackligen Tisch, zwei Stühle und ein Feldbett mit einer schmuddeligen Matratze, einem Kopfkissen und einer zerschlissenen Wolldecke war der Raum leer. Neben dem Bett standen eine Metallschüssel mit Wasser, eine Kanne und ein Nachttopf. Über der Lehne eines Stuhls hing ein Frotteehandtuch.
    Die Zeit bis zum Eintreffen der Polizei erschien endlos. Dann endlich hörte ich die Sirene. Ich rannte die Treppe hinauf und stürzte in die Küche. Das flackernde Blaulicht der Polizeiautos und des Krankenwagens machten dem makabren Spuk ein Ende.
    Der Mann, der Jasmine geschlagen hatte, ein Kroate, war erst vor Kurzem zur Trevisan-Bande gestoßen. Der |190| andere, der in der Küche das Feuer eröffnet hatte, hieß Lando. Er kam aus Vicenza und war noch minderjährig. Ich hatte beide in die Schulter getroffen. Für Randazzo und Mario kam jede Hilfe zu spät, sie waren beim Eintreffen der Polizei bereits tot. Lando und der Kroate halfen Pertusiello, die Ereignisse zu rekonstruieren. Randazzo hatte mich getäuscht, er wusste, dass uns die Männer erwarten würden. Am Telefon hatte er das vereinbarte Passwort nicht erwähnt. Ein geschickter Schachzug, um mich in die Falle zu locken. Dass diese Finte ihn das Leben kosten würde, damit hatte er allerdings nicht gerechnet.
     
    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Als ich mich umdrehte, sah ich einen gut aussehenden blonden Mann um die vierzig vor mir. Unter seinem offenen Arztkittel kamen das Designer-Hemd, die elegante Krawatte und die dunkle Armani-Hose optimal zur Geltung. Oder war sie von Valentino? Der personifizierte Halbgott in Weiß.
    Er musterte mich von oben herab und bellte: »Was treiben Sie denn da?«
    Neben dieser hehren Lichtgestalt fühlte ich mich wie ein Stück Dreck, wie eine Ausgeburt der Hölle. Genau das, was ich schon immer gewesen war: eine

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