Bitteres Rot
dunklen Raum. Sechs Schuss, dann hörte ich einen gellenden Schrei, gefolgt vom dumpfen Schlag eines gegen ein Möbelstück krachenden Körpers.
Die Finsternis machte mich verrückt, noch dazu in einer völlig fremden Umgebung. Ich wusste nicht, mit wie vielen Gegnern ich es zu tun hatte, geschweige denn, wo ich in Deckung gehen konnte. Jasmine war hier und in höchster Gefahr, das war klar. Die Typen wollten sie aus dem Weg räumen. Ich lud die Beretta nach, wieder sechs |186| Schuss. Dann zog ich das Handy aus der Jackentasche und rief Pertusiello an. Er war sofort dran.
»Verdammt, wo bist du?«
»In der Nähe der Straße Richtung Bavari«, flüsterte ich, »vor dem Haus, in dem sie Jasmine gefangen halten. Kurz hinter Sant’Eusebio. Da steht ein weißer Kombi an der Straße, leicht zu erkennen. Ihr biegt links auf den Pfad ein, und wenn ihr euch beeilt, habt ihr noch die Chance auf ein Feuerwerk.«
Ich beendete das Gespräch und schaltete das Handy aus. Im Haus war jetzt eine schrille Stimme zu hören. »Mario, hörst du mich?« Eine junge Stimme. Ein Mann, der Angst hatte.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, legte mich auf den Boden und robbte auf allen vieren ins Haus. Jede Sekunde länger konnte Jasmine das Leben kosten.
»Mario, lebst du noch?« Die Stimme war jetzt lauter.
Statt einer Antwort hörte man ein Röcheln. Mario war also noch am Leben, aber es hatte ihn offensichtlich schwer erwischt. Der andere verhielt sich genauso, wie ich gehofft hatte. Er verlor die Nerven und schrie: »Wo seid ihr, ihr feigen Schweine? Zeigt euch!« Durch seine Stimme konnte ich zwar erahnen, wo er sich befand, aber ich wollte nicht blindlings auf einen Halbwüchsigen ballern. Ich wartete darauf, dass er einen Fehler machte. Er enttäuschte mich nicht und feuerte eine Salve in Richtung Tür. Die Blitze an der Waffenmündung erleuchteten für den Bruchteil einer Sekunde das Zimmer. Aus dem Augenwinkel erkannte ich rechts von mir Marios Körper, der neben einem Schrank zusammengesunken war. Auch den zweiten Schützen hatte ich schemenhaft erkannt. Ohne zu zögern, richtete ich meine Beretta auf ihn und drückte ab. Er brach zusammen und kippte nach vorne. Ich hörte das metallene Scheppern einer Waffe, die auf den Steinfußboden aufschlug. Danach |187| drehte ich mich blitzschnell zu Mario, bereit, sofort zu reagieren, aber er hatte aufgegeben. Ich erhob mich und ging auf ihn zu, die Beretta im Anschlag. Widerstandslos ließ er sich die Waffe abnehmen.
Es war, als würde ich aus einer Trance erwachen. Die Spannung ließ nach und ich begann zu zittern. Schuldgefühle plagten mich. Hatte ich die beiden erschossen? Seit vierundzwanzig Stunden hatte ich nichts mehr gegessen. Ich beugte mich nach vorne und übergab mich. Der Dolcetto di Dogliani, den ich mit Essam in der Bar auf dem Corso De Stefanis getrunken hatte, landete vor mir auf dem Steinfußboden. Ich fror entsetzlich, als würde der eisige Hauch des Todes auf mir lasten. Aber ich konnte jetzt nicht lockerlassen, ich musste Jasmine finden.
Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. War noch jemand im Haus? Ich spitzte die Ohren. Absolute Stille, nur das Wimmern des Verletzten war zu hören. Ich beschloss, das Licht anzumachen. Wo war der Schalter schon wieder? Ach ja, rechts. Ich tastete die Wand entlang. Endlich hatte ich den Schalter gefunden und knipste ihn an. Ein Bild des Grauens.
Überall Blut. Mario kauerte reglos neben dem Schrank, den Kopf nach vorne gebeugt. Der jüngere Mann wand sich stöhnend auf dem Boden, seine blutige Hand gegen die Schulter gepresst. Wahrscheinlich hatte die Kugel den Oberarmknochen zerfetzt. Randazzo lag mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Rücken, er gab kein Lebenszeichen von sich. Sein Kopf lag im Freien, es schien, als würde er in den sternenlosen Nachthimmel sehen. Aber selbst von dort war keine Hilfe mehr zu erwarten. Der Raum roch nach Pulverdampf und herbem Wein. Erst als mein Blick auf das Marmorbecken fiel, wurde mir klar, dass ich in einer Küche war. Auf dem Boden lagen die Automatikpistole des jungen Mannes und Marios UZ I-Maschinengewehr . |188| Die massive Holztür an der Rückwand musste in einen zweiten Raum führen.
Ich umklammerte die Beretta und ging langsam auf die Tür zu. Mir war hundeelend, mein Magen rebellierte, ich zitterte am ganzen Körper. Da hörte ich eine Frauenstimme, ihr französischer Akzent war unverkennbar. Jasmine.
»Du bist am Arsch. Die Polizei ist da«, schnauzte eine markante
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