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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Erinnerung hatte.
    »
Buongiorno
, hier spricht Bacci Pagano.«
    »Oh, Bacci, wie schön von dir zu hören. Ich hätte dich schon angerufen, aber   …«, er versuchte locker zu klingen.
    »…   ihr von der GAP habt euch getroffen.«
    Ich hatte ihn eiskalt erwischt. Empörtes Schweigen, dann bemühte er sich, die richtigen Worte zu finden. »Olindo wollte es so.«
    »Ich weiß, Gino, selbst nach so vielen Jahren ist er immer noch der Comandante.« Ich versuchte versöhnlich zu klingen.
    »Du irrst dich.« Dieses Mal war er wirklich empört. »Olindo war nie mein Comandante, ich war ein
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, vergiss das nicht.«
    »Ich habe es nicht vergessen, aber ich muss mit Ihnen reden.«
    Ich hatte erwartet, dass er sich zieren würde, aber er blieb ganz ruhig. »Wenn du reden willst, gut, meinetwegen. Vielleicht im ANP I-Büro , wie das letzte Mal? Ich bin gerade auf dem Weg dorthin.«
    »Gut, in einer Stunde bin ich da.«
    Seine Ausdrucksweise rührte mich. Gino ging zur Arbeit wie jeder andere auch, dieses Büro war seine Welt, |203| sein Lebenssinn, in der die Erinnerung allgegenwärtig war. Er tat es, weil es getan werden musste, ohne Wenn und Aber.
    Ich rasierte mich, nahm meine Jacke und verließ das Haus. Aus dem sanften Nieseln war prasselnder Regen geworden. Die schweren Tropfen trommelten auf das Pflaster der Stradone di Sant’ Agostino und sammelten sich in der Rinne neben dem Bürgersteig zu einem kleinen Bächlein, das Richtung Vico San Donato floss. Die Vespa ließ ich bei dem Wetter lieber zu Hause. Ich ging die Piazza Sarzano hinauf, um meinen alten V W-Käfer aus der Garage zu holen. Er würde mich trocken nach Sestri bringen.
    Ich fädelte mich in den dichten Verkehr ein und brauchte fast eine Stunde, bis ich mein Ziel erreicht hatte. Dreimal so lang wie mit der Vespa. In Sestri hatte ich Glück und fand einen freien Parkplatz neben der Chiesa dell’ Assunta. Ich betrat die Geschäftsstelle der ANPI, wo mich Bavastro schon erwartete. Er war nicht allein. An einem Tisch saßen sich ein Mann und eine Frau gegenüber.
    »Sie erstellen die Liste der neuen Mitglieder«, sagte Bavastro, bevor er die beiden vorstellte. Der Mann las die Namen auf den Zetteln vor und die Frau trug sie in ein Register ein. Ihr Name war Elide. Die weißen Haare waren kurz geschnitten, sie trug Herrenhosen und ein Herrenhemd. Elide begrüßte mich mit einem festen Händedruck. Ihr Gegenüber stellte sich als ihr Ehemann vor. Er hieß Berto. Seine gebeugte Haltung ließ darauf schließen, dass er sehr groß war. Sie mussten beide schon über achtzig sein. Gino erklärte, sie hätten Seite an Seite mit ihm im selben Einsatzgebiet gekämpft. Ich stellte mich als Sohn von Guido und Anna Pagano vor, vermied aber, meinen Beruf und meinen Auftrag zu erwähnen. Sie kannten meine Eltern flüchtig, wussten aber nicht, dass sie tot waren. Auch an meinen Prozess schienen sie sich nicht zu erinnern.
    |204| Während wir uns unterhielten, ließ ich die beiden nicht aus den Augen. Plötzlich kam mir eine verrückte Idee. Waren das etwa die Eltern des Mannes, den ich suchte? Die Sache hatte nur einen Haken: Nicla war seit dreißig Jahren tot. An diesem Punkt waren sich mein Auftraggeber und der Comandante ausnahmsweise einig. Allerdings hatten mich all die Lügen und falschen Fährten so misstrauisch gemacht, dass mir selbst die Auferstehung einer vor dreißig Jahren verstorbenen Frau nicht abwegig erschien.
    Gino entschuldigte sich bei den beiden und wir gingen in ein anderes Zimmer, wo wir ungestört miteinander sprechen konnten. Heute trug er graue Flanellhosen, einen weißen Pullover und ein blaues Schälchen. Nur die Mütze war dieselbe wie beim letzten Mal. Er setzte sich hinter den kleinen Schreibtisch und bat mich, ihm gegenüber in einem Sessel Platz zu nehmen.
    »Also, um was geht’s?«
    »Bavastro, Sie wissen genau, warum ich hier bin. Warum wollt ihr mir nicht helfen? Mit welchen Argumenten hat Olindo euch überzeugt?«
    Zum ersten Mal nahm er die Mütze ab und legte sie auf den Schreibtisch. Die feinen weißen Härchen waren in Unordnung geraten und standen in alle Richtungen vom Kopf ab.
    »Olindo hatte seine Gründe«, murmelte er und fuhr sich mit der Hand über den Kopf. Seine Augen waren trübe, vielleicht lag das am grauen Star. Jedenfalls war es mir bei unserem ersten Zusammentreffen nicht aufgefallen. »Diese Frau war eine Kurierin seiner Gruppe, sie stand unter seinem persönlichen Schutz. Er hatte sie mit einer heiklen

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