Bitterfotze
erstaunt anschauen, der konzentriert auf einen Punkt auf dem Boden starrt.
»Also, das ist nicht nur so dahingesagt. Darüber sprechen tatsächlich viele Referenten in unseren Kursen«, sagt Mats und klingt jetzt nicht mehr ganz so profimäßig freundlich.
»Ihr müsst schon entschuldigen«, sagt Johan, »aber wie wir ja erzählt haben, geht es bei unserem Konflikt darum, wie wir es schaffen, gleichberechtigt zu leben, und wenn ihr sagt, dass es keinen Sinn hat, nach Gerechtigkeit zu streben, dann ist das ungefähr das Gleiche, wie uns zu sagen, wir sollen aufgeben.«
»Wir wollten nur sagen, dass Gerechtigkeit sich unterschiedlich ausdrücken kann. Wenn Sara besser kochen kann, dann ist es auch richtig, wenn sie es tut. Johan kann vielleicht besser die Reifen wechseln?«, sagt Maggan mit Profistimme.
»Wir haben kein Auto«, sagt Johan.
»Ach so. Aber du kannst vielleicht Regale zusammenbauen? Was ich sagen will, dass man nicht immer alle Tätigkeiten gerecht aufteilen kann. Manche Dinge kommen vielleicht dir, Sara, natürlicher vor, während andere für Johan natürlicher sind?«
Ich habe aufgehört zu lächeln und starre Maggan mit kalten Augen an.
»Und was ich sagen will, ist, dass ich noch nie eine so unnatürliche Situation erlebt habe, wie mit einem drei Monate alten Baby zehn Wochen lang allein gelassen zu werden. Das ist das Perverseste, was eine junge Mutter erleben kann!«, sage ich mit schriller Stimme.
»Was untersteht ihr euch eigentlich, hier in der Erziehungsberatung zu sitzen und unglücklichen Paaren zu raten, nicht für die Gerechtigkeit zu kämpfen?«, schimpfe ich und starre Maggan und Mats an, sie starren mit gerunzelter Stirn zurück.
Ich stehe auf und nehme meinen Mantel, Johan macht das Gleiche, und Maggans Stimme klingt jetzt sauer.
»Ich nehme an, ihr wollt keinen neuen Termin?«
»NEIN DANKE!«, sagen Johan und ich im Chor und verschwinden so schnell wie möglich aus dem Zimmer mit dem gewebten Bild. Weg, bloß weg von Maggan und Mats und der Steinzeit und den Höhlenmenschen. Wir gehen die Treppe hinunter in den Park, wo Patrick und Jens mit Sigge im Wagen warten. In die Neuzeit und die Zukunft. Johan nimmt mich an die Hand, wir schauen uns in heiligem Einvernehmen an und fangen an zu lachen. Ein wunderbares Gefühl. Ich küsse Johans Hand, er bleibt stehen und zieht mich an sich.
»Danke, dass du so wunderbar bist«, sagt er und schaut mir in die Augen.
»Danke, dass du so wunderbar bist«, sage ich und küsse ihn.
Unsere Heiligkeit, das Lachen, das plötzlich wieder da ist, hält uns ungefähr drei Tage lang warm. Dann ist Montag und Johan verschwindet und lässt uns noch eine Woche allein. Die Leere, die jetzt entsteht, ist unerträglich. Die kurzen Augenblicke der Nähe, die wir hatten, machen die Sehnsucht nur umso schmerzlicher. Ich erinnere mich daran, wie es früher war, das hatte ich vergessen.
Im Laufe der Woche verwandeln die Schlaflosigkeit und das Alleinsein die Sehnsucht in eine Wut, die mich rotäugig macht. Als Johan am Freitag nach Hause kommt, habe ich nichts zu geben, er ist müde und in Gedanken woanders. Ich gehe früh schlafen, er bleibt lange auf und guckt Fußball. Das Stummsein ist fast schlimmer als der Streit, aber am schlimmsten ist das völlige Fehlen von Humor. Diese dickköpfige, ärgerliche, geizige Humorlosigkeit, die sich wie nachtschwarzer Kohlenstaub auf alles legt und die Luft vergiftet, die wir atmen.
Es gibt Abende, an denen die Kälte sich fernhält. Wir schauen uns verschlafen an und werden von Lust erfasst. Ich küsse Johans Ohr, und er hält meinen Kopf fest zwischen seinen Händen. Wir trinken zu viel Rotwein und lieben uns wild mit all unserer Sehnsucht. Das Streiten bringt uns dazu, verzweifelt nach einander zu suchen. Und wenn wir dann nackt auf dem Bett liegen und nur atmen, kann es vorkommen, dass wir weinen.
Wir finden eine neue Familientherapeutin, eine Frau, die nicht von Höhlenmenschen spricht und die versteht, dass Gerechtigkeit wichtig ist in einer Liebesbeziehung. Sie lotst uns vorsichtig durch verschlungene Wege von altem Groll und verworrenen Argumenten.
Der Schnee schmilzt, und es wird Frühling. Auf unseren Spaziergängen sehen wir, wie Hausbesitzer im Garten arbeiten. Sie verbrennen kleine Berge von Laub und hängen Teppiche zum Lüften hinaus. Wir gehen nach Hause und machen auch Großputz. Scheuern die Böden mit Schmierseife, damit es in der ganzen Wohnung gut riecht.
Ohne dass wir es gemerkt haben, ist
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