Bittersuesser Verrat
wahr?«
»Dass sie verrücktspielt? Ja. Dahinter bin ich schon gekommen.« Claire merkte, dass sie noch immer das Messer in der Hand hielt, und legte es weg. »Tut mir leid.«
»Eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme in unsicheren Zeiten«, sagte Amelie leise. Sonst nichts. Claire wartete, aber Amelie war so reglos wie einer dieser Marmorengel über einem Grab.
»Was ist passiert?«, wagte Claire schließlich zu fragen.
»Nichts, was du verstehen würdest.« Amelie schloss die Augen. »Ich bin müde, Claire.«
Es lag eine so schlichte Resignation in der Art und Weise, wie sie das sagte, dass Claire schauderte. »Soll ich... gibt es jemanden, den ich benachrichtigen soll, oder...«
»Ich werde mich erst einmal hier ausruhen. Danke.« Damit war Claire entlassen, worüber sie ein wenig erleichtert war. Amelie schien einfach... geistesabwesend zu sein. Leer.
»Okay. Aber... falls Sie etwas brauchen...«
Amelie riss die Augen auf und auch Claire spürte es: Eine Welle der Macht - das Portal öffnete sich wieder.
Amelie ließ es durch ihre Willenskraft wieder zuschlagen.
»Jemand ist auf der Suche nach Ihnen«, sagte Claire. »Wer?«
»Das geht dich nichts an.«
»Doch, es geht mich etwas an, wenn sie hierherkommen! Verfolgt Sie jemand?«
»Es sind meine Wachen«, sagte Amelie. »Früher oder später werden sie mich finden, aber jetzt möchte ich hier sein. Hier, wo Sam...« Sie verstummte wieder; silbrige Tränen sammelten sich in ihren Augen und rannen in ihr offenes blassblondes Haar. »Wo Sam gesagt hat, er würde mich nie verlassen. Aber er hat mich verlassen, Claire. Ich wusste, dass er es tun würde, und er hat es getan. Alle gehen. Alle.«
Als das Portal erneut aufflackerte, versuchte Amelie nicht, es wieder zu schließen. Sekunden später flog die Dachbodentür auf und es waren keineswegs ihre Bodyguards in ihren schwarzen Geheimdienstanzügen.
Es war Oliver, der noch immer sein Bowling-Shirt trug. Die grau melierten Haare hatte er zu einem strammen Pferdeschwanz zusammengebunden. Als sein Blick auf Amelie fiel, sah er einen Moment lang aus wie eine andere Person.
Nein, das war nicht möglich. Es konnte nicht sein, dass er tatsächlich etwas für sie empfand. Oder doch?
»Du«, sagte er zu Claire. »Lass uns allein. Sofort.«
»Bleib«, sagte Amelie. In ihrer Stimme lag unverkennbar ein drohender Befehl. »Du gibst meinen Dienern in meinem Haus keine Befehle, Oliver. Noch nicht.«
»Du versteckst dich hinter Kindern?«
»Ich verstecke mich überhaupt nicht. Nicht einmal vor dir.« Langsam setzte sie sich auf und im vielfarbigen Schein der Lampen sah sie jung aus und sehr müde. »Wir haben unsere Spielchen gespielt, nicht wahr? Wir beide haben all die Jahrhunderte lang Intrigen gesponnen, uns betrogen und gegenseitig für unsere jeweiligen Zwecke benutzt. Was hat uns das gebracht? Frieden? Für uns gibt es niemals Frieden. Es kann keinen Frieden geben.«
»Ich kann nicht über Frieden sprechen«, sagte er. Dabei kniete er vor ihr nieder und sah sie an. »Und du kannst das auch nicht. Neulich, nachts auf dem Friedhof hat Morley versucht, dich umzubringen, und du läufst immer noch allein herum und suchst deine eigene Vernichtung. Das muss aufhören.«
»Du sprichst als mein offizieller Stellvertreter.«
»Ich spreche als dein Freund«, sagte er und ergriff ihre Hand. »Amelie, wir haben unsere Differenzen, du und ich. Die werden wir immer haben. Aber ich kann dich nicht so leiden sehen. Morganville überfordert dich momentan - es gibt hier zu viele Vampire mit zu viel Ehrgeiz. Die Kontrolle muss aufrechterhalten werden, und wenn du es nicht tust, dann musst du das in stärkere Hände legen. Meine Hände.«
»Wie freundlich von dir, dass dir die Anliegen der anderen so sehr am Herzen liegen«, sagte sie. Sie versuchte nicht, ihre Finger seinem Griff zu entziehen, aber ihr Tonfall hatte eine distanzierte Kühle bekommen. »Was schlägst du also vor?«
»Überlass mir die Stadt, bis du deine Trauer beigelegt hast«, erklärte er. »Du weißt, ich kann hier für Ordnung sorgen. Ich werde als dein Regent fungieren. Sobald du bereit bist, gebe ich sie dir wieder zurück.«
»Lügner«, sagte sie ohne besondere Betonung und ohne Vorwurf. Claire sah, wie sich Olivers Hand fester um ihre Finger schloss. Amelie lächelte, aber nur leicht. »Lügner und Betrüger. Glaubst du wirklich, dass eine solche Taktik gegen die Tochter von Bishop funktioniert? Du hättest gut daran getan, ein wenig mehr
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