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Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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leicht und stellte sich vor: »Peter Sacher.«
    Der Herr von der Rennleitung zerschmolz.
    »Oh!« rief er enthusiastisch. »Monsieur Sacher?!« Sein Deutsch war grauenvoll, aber Peter verstand es und erbleichte. »Ich kenne Österreich! Ich war ein Jahr lang dort. Wien, oh, Wien! Ein Märchen, Monsieur Sacher. Und in Ihrem Hause habe ich oft gesessen und Kaffee getrunken! Ein wunderschönes Haus, das Hotel Sacher. Und die Torte! Die Sacher-Torte, eine Erfindung Ihrer Frau Mama, nicht wahr? Ein Gedicht! Noch nie habe ich solch eine Torte gegessen! Sie zergeht auf der Zunge! Welche Ehre, Sie hier zu sehen, Monsieur Sacher.« Er winkte einer Platzanweiserin. »Für Monsieur Sacher eine Loge!« rief er laut, damit es alle hörten.
    Peter wurde es unheimlich. Er drückte dem Herrn von der Rennleitung die Hand, schielte zu den anderen Besuchern und sah, daß einige Herren ihren Damen erklärten, was ein Sacher für Österreich und Wien bedeutet, und ging schnell der Platzanweiserin nach auf die Tribüne.
    Dann saß er in der Loge, hatte ein dickes Programmheft vor sich liegen und kam sich wie eingesperrt vor. Eine unsinnige Wut auf alle Filme überkam ihn, die Rennplatzbesucher nur in Cuts mit grauem Zylinder darstellten.
    Verstohlen blickte er sich um. Der französische Hochadel saß um ihn herum. Die roten Bändchen der Ehrenlegion schimmerten in den Knopflöchern. Die Damen sahen aus, als wollten sie mit ihrer unwirklichen Schönheit beweisen, welch häßliche Zwerge doch die Männer sind. Es war, als konzentrierte sich das Interesse nicht auf die Pferde, sondern um den zugeknöpften, graubetuchten Gast, der einsam in einer Ehrenloge saß, standhaft schwitzte und so vornehm war, daß er weder rechts noch links schaute.
    Peter Sacher tastete nach seinem Fernglas. Es baumelte vor der Brust und schien einen Zentner zu wiegen. Wenn ich es jetzt an die Augen halte, brechen mir die Arme ab, dachte er. Ich bin völlig vernichtet. Ich bin eine Witzfigur. Wenn es nur einen Ausweg gäbe, unbemerkt wegzukommen. Aber wer ist unbemerkt, wenn er einen hellgrauen Zylinder, grauen Cut und weiße Gamaschen trägt?
    Von ›Start und Ziel‹ leuchtete die Tafel mit den Namen der Pferde des ersten Rennens. Auf den Tribünen war ein Kommen und Gehen zum Totalisator. Die Buchmacher und ihre Gehilfen schrien sich zu, die letzten Wetten wurden abgeschlossen. Die Pferde wurden hereingeführt und stellten sich hinter der Startleine auf. Die bunten Seidentrikots und runden Kappen der Jockeys glänzten wie Ölfarbflecke, die von einer Palette gelaufen waren. Ein vieltausendfaches Stimmengewirr lag über dem riesigen Oval der Rennbahn. Irgendwo klingelte hell eine Glocke. Das Seil schnellte in die Höhe, die Pferde rasten über die in der Sonne flimmernde Bahn.
    Rufe gellten auf. Noch einmal nahmen die Buchmacher Wetten an. Hunderte von Ferngläsern verfolgten die wirbelnden Beine.
    Allein Peter Sacher hatte den ersten Start verpaßt.
    Er hatte Streit.
    Streitobjekt war ein hellbrauner, süßer Seidenlanghaardackel. Er war in die Ehrenloge geschlüpft, hatte die weißen Gamaschen Peters beschnuppert und dann mit hochgezogenen Lefzen und bleckenden Zähnen angebellt.
    Zunächst hatte Peter nichts von seinem Logengast bemerkt. Er studierte die Startliste und schwitzte erbärmlich.
    Der Dackel hatte, nachdem er in die Loge geschlüpft war, zunächst den fremden Menschen genau betrachtet. Dann hatte er die weißen Gamaschen erst beschnuppert, intensiv beleckt, mit den Zähnen darüber gekratzt, bis er seine nasse, spitze Schnauze unter das graue Hosenbein schob. Hier kam er an eine glatte, schwitzende Haut, was ihn reizte, ebenfalls liebevoll zu lecken.
    Die erste Reaktion ahnungsloser, beleckter Menschen ist ein Tritt. Das aber empfand das Hündchen als ungerecht. Er war liebevoll gewesen und wurde dafür getreten. Außerdem verletzte der Tritt die Umgangsformen des Hundes. Wenn Menschen sich vorstellen, sagen sie ihren Namen; ein Hund kann nicht sprechen. Er stellt sich durch heftiges Schwanzwedeln, Beschnuppern und Belecken vor. Sage mir, wie du riechst, und ich sage dir, wer du bist.
    Peter Sacher hatte in seiner Situation keinen Sinn für Tierpsychologie. Er war bis unter die Haarwurzeln verärgert und verbat sich energisch das Beschnuppern und Belecken seines Beines. Nach Art der Menschen trat er also. Der Dackel, tief beleidigt, biß grimmig in den vorschnellenden Schuh.
    Dann bellte er. Grell, wild, sich überschlagend.
    Von den Nebenlogen

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