Black Box
schreiben.
Hast du gewusst, dass man ohne Rakete in den Weltraum fliegen kann? Chuck Yeager ist mit seinem Jet so hoch geflogen, dass das Flugzeug zu trudeln angefangen hat – nach oben zu trudeln, nicht nach unten. Er war so hoch, dass die Schwerkraft nicht mehr gewirkt hat. Der Jet ist aus der Stratosphäre rausgetrudelt. Die Farbe ist aus dem Himmel geschmolzen. Als wenn der Himmel blaues Papier wäre und jemand in die Mitte ein Loch gebrannt hätte. Und dahinter war dann alles schwarz. Und überall Sterne. Stell dir das vor – du fällst nach oben.
Ich sah auf den Zettel und dann wieder zu Art. Er schrieb weiter.
Ich hab genug. Ganz ernsthaft. Fünfzehnmal am Tag geht mir die Luft aus. Fast jede Stunde brauche ich jemanden, der mich wieder aufbläst. Dauernd fühle ich mich krank. Das ist kein Leben.
»Hör auf, Art«, sagte ich. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Vor meinen Augen verschwamm alles. »Das wird schon wieder.«
Nein, glaube ich nicht. Es geht nicht darum, ob ich sterbe. Die Frage ist, wo. Ich habe mich entschieden. Ich möchte herausfinden, wie hoch ich komme. Ich will wissen, ob das stimmt. Ob sich der Himmel oben öffnet.
Was ich an diesem Tag sonst noch gesagt habe, weiß ich nicht mehr genau. Eine ganze Menge, schätze ich. Ich flehte ihn an, es nicht zu tun, mich nicht zu verlassen. Ich sagte, dass das nicht fair sei, dass ich sonst keine Freunde hätte, dass ich immer einsam gewesen sei. Ich redete, bis ich nur noch mehr erstickte Schluchzer von mir gab. Er legte mir seine Plastikarme um die Schultern und hielt mich lange fest, während ich mein Gesicht an seine Plastikbrust schmiegte.
Dann nahm er mir die Ballons ab und band sie sich um das Handgelenk. Ich griff nach seiner anderen Hand, und gemeinsam gingen wir zum Wasser. Die Brandung platschte mir in die Sneakers, so kalt, dass die Knochen in meinen Füßen pochten. Ich umschlang Art mit beiden Armen und drückte ihn, bis er ein trauriges Quietschen von sich gab. Lange hielten wir uns so fest. Dann öffnete ich meine Arme und ließ ihn los. Wenn es eine andere Welt gibt, hoffe ich, dass wir nicht zu hart für das gerichtet werden, was wir in dieser hier falsch gemacht haben – dass uns zumindest die Fehler verziehen werden, die wir aus Liebe gemacht haben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es eine Form von Sünde war, jemanden wie Art gehen zu lassen.
Er stieg auf und trieb davon. Der Wind drehte ihn, so dass er mich ansah, während er, den linken Arm mit den Ballons am Handgelenk hoch in die Luft gereckt, über dem Wasser auf und ab hüpfend wegschwebte. Sein Kopf war zur Seite gekippt, es sah so aus, als würde er mich nachdenklich betrachten.
Ich setzte mich an den Strand und blickte ihm hinterher. So lange, bis ich ihn nicht mehr von den über dem Wasser kreisenden Möwen unterscheiden konnte, bis er nur noch ein schmutziger Fleck war, der am Himmel entlangwanderte. Ich rührte mich nicht. Mit der Zeit färbte sich der Horizont dämmerig rosa ein, und der blaue Himmel wurde schwarz. Ich streckte mich auf den Kieseln aus und beobachtete, wie die Sterne aus der Dunkelheit kamen. Ich starrte nach oben, bis ich so benommen war, dass ich mir vorstellen konnte, mich vom Erdboden zu lösen und in die Nacht zu fallen.
Ich bekam psychische Probleme. Als die Schule wieder anfing, brachte mich schon der Anblick einer leeren Schulbank zum Weinen. Ich konnte weder Fragen beantworten noch Hausaufgaben machen. Ich blieb sitzen, musste die siebte Klasse wiederholen.
Noch schlimmer war, dass mich niemand mehr für gefährlich hielt. Man konnte unmöglich noch Angst vor mir haben, wenn man ein paarmal miterlebt hatte, wie ich mir die Seele aus dem Leib heulte. Auch mein Klappmesser hatte ich nicht mehr, mein Vater hatte es beschlagnahmt.
Einmal nach der Schule verprügelte mich Billy Spears. Meine Lippen waren zermanscht, ein Zahn locker. John Erikson nahm mich in den Schwitzkasten und schrieb mir mit einem Magic Marker KOLLISTOMIEBEUTEL auf die Stirn. Er kämpfte immer noch mit der Rechtschreibung. Cassius Delamitri lauerte mir auf, warf mich zu Boden und sprang auf mich drauf. Mit seinem Gewicht presste er mir die Luft aus den Lungen. Art hätte genau gewusst, was ich fühlte.
Den Roths ging ich aus dem Weg. Nichts wünschte ich mir mehr, als Arts Mutter zu sehen, doch ich hielt mich fern. Ich hatte Angst, dass, wenn ich mit ihr redete, alles aus mir heraussprudeln würde – dass ich dabei gewesen
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