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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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ins Haus gehen und sich ins Bett legen. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er immer dann, wenn er sagen wollte, was er dachte, allergisch reagierte. Wenn er unbedingt etwas loswerden wollte, spürte er oft, wie seine Luftröhre enger wurde und es ihm die Luft abschnürte. Er wollte Mrs. Kutchner am liebsten fragen, ob er ihr ins Haus helfen solle, und stellte sich vor, wie er sie am Ellenbogen hielt und ihr dabei so nahe war, dass er den Duft ihres Haars riechen konnte. Er wollte ihr sagen, dass er jede Nacht für sie betete, auch wenn er sich nicht sicher sei, ob das etwas half. Max hatte auch für seine Mutter gebetet, und es hatte nichts geholfen. Er behielt alle seine Gedanken für sich. Mehr als Vielen Dank, Ma’am brachte er nicht heraus.
    »Geh ruhig«, sagte sie. »Und sag deinem Vater, ich hätte Rudi gebeten, noch dazubleiben und das Durcheinander in der Küche aufzuräumen. Ich schicke ihn dann rüber.«
    »Ja, Ma’am. Vielen Dank, Ma’am. Sagen Sie ihm bitte, dass er sich beeilen soll.«
    Auf der Straße angekommen, drehte er sich noch einmal um. Mrs. Kutchner presste sich ein Taschentuch auf die Lippen, senkte aber sofort die Hand und winkte ihm fröhlich zu, eine Geste, die so liebenswert war, dass Max ganz übel wurde. Er hob die Hand und wandte sich dann ab. Ihr heiseres, bellendes Husten folgte ihm noch ein ganzes Stück die Straße hinauf – wie ein wütender Hund, der sich losgerissen hatte und ihn verjagte.
    Bis er auf dem Hof ankam, war der Himmel außer dem schwachen Leuchtfeuer im Westen, wo gerade die Sonne untergegangen war, bereits dunkelblau, fast schwarz geworden. Sein Vater saß auf der Veranda und wartete mit der Reitpeitsche. Max blieb unten an der Treppe stehen und schaute zu ihm hoch. Die Augen seines Vaters waren unter schweren Lidern verborgen, und es war unmöglich, unter der buschigen Stahlwolle seiner Brauen etwas zu erkennen.
    Max wartete darauf, dass er etwas sagte. Sein Vater schwieg. Schließlich gab Max auf und flüsterte: »Es ist doch noch hell.«
    »Die Sonne ist untergegangen.«
    »Wir waren doch nur bei Arlene. Das ist nicht mal zehn Minuten weg.«
    »Ja, bei Mrs. Kutchner seid ihr bestimmt sicher. Wie in einer Festung. Bei einem Tattergreis, der sich vor Rheuma kaum bücken kann, und einer ungebildeten Bauersfrau, deren Eingeweide von Krebs zerfressen werden.«
    »Sie ist nicht ungebildet«, sagte Max. Er wusste, wie ängstlich er klang, und als er weiterredete, bemühte er sich um einen besonders sachlichen Tonfall. »Sie können kein Licht ertragen. Das hast du selbst gesagt. Solange es nicht dunkel ist, haben wir nichts zu befürchten. Der Himmel ist doch noch hell.«
    Sein Vater nickte und sagte: »Und wo ist Rudolf?«
    »Direkt hinter mir.«
    Der Alte reckte den Hals, als würde er hinter Max die Straße absuchen.
    »Ich meine, er kommt gleich«, sagte Max hastig. »Er ist noch dort geblieben, um Mrs. Kutchner beim Putzen zu helfen.«
    »Beim Putzen?«
    »Ja, da ist ein Mehlsack umgefallen und aufgeplatzt. Sie wollte sich selbst darum kümmern, aber Rudi hat gesagt, dass er das macht. Ich hab ihnen gesagt, dass ich schon mal vorgehe, damit du dir keine Sorgen machst. Er muss jeden Moment hier sein.«
    Sein Vater saß völlig reglos da, kerzengerade, und verzog keine Miene. Dann, als Max gerade geglaubt hatte, das Gespräch sei beendet, sagte er langsam: »Du hast ihn also zurückgelassen?«
    Max begriff augenblicklich, wie sehr er sich in seinem Lügengespinst verfangen hatte. Aber jetzt war es zu spät, er konnte sich nicht mehr herausreden. »Jawohl, Sir.«
    »Aha. Geh ins Haus. Mach deine Aufgaben.«
    Max stieg die Stufen hinauf und ging zur Haustür, die ein Stück offen stand. Als er an dem Schaukelstuhl vorbeikam, biss er in Erwartung der Reitpeitsche die Zähne zusammen. Aber sein Vater packte ihn stattdessen so hart am Handgelenk, dass Max die Knochen in den Gelenken knacken hörte und vor Schmerzen das Gesicht verzog.
    Sein Vater schnappte nach Luft und atmete tief ein. Max wusste, dass darauf nur allzu oft ein Schlag ins Gesicht folgte. »Du weißt doch, wer unsere Feinde sind? Und trotzdem trödelst du mit deinen Freunden rum, bis es draußen dunkel ist?«
    Max wollte etwas antworten, konnte aber nicht, weil sich seine Luftröhre wieder einmal schloss. Er glaubte an den Dingen ersticken zu müssen, die er sagen wollte, aber nicht herausbrachte.
    »Von Rudolf erwarte ich nicht, dass er etwas dazulernt. Er ist Amerikaner, und hier glauben sie ja,

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