Black Cats 01. Was kostet der Tod
müssen.
Schweigend hörte Stacey ihm zu. Ab und zu schloss sie die Augen, manchmal stieß sie einen Seufzer der Bestürzung aus. Dean ersparte ihr die Einzelheiten und beschrieb ihr nicht, welche Widerwärtigkeiten sich im Internet zum Vergnügen einiger kranker Leute abspielten. Aber auch die knappste Erklärung konnte einem Entsetzen einflößen.
»Alle anderen Leichen hat man also gefunden. Nur Lisa nicht«, schloss Stacey, als Dean seinen Kurzbericht beendet hatte.
»Richtig.«
»Aber die anderen Opfer waren nicht aus dieser Gegend. Lisa war die einzige Person, die wir als vermisst gemeldet haben, und hier ist niemand ermordet worden, seit mein Großvater Sheriff war.«
»Klingt gut.«
Sie nickte geistesabwesend. »Wahrscheinlich war dieser Typ irgendein Fremder, der von der Fernstraße hierhergekommen ist, gesehen hat, wie Lisa sich in Dicks Taverne betrunken hat, ihr folgte, als sie raustorkelte, und sich dann die Gelegenheit zunutze gemacht hat. Vielleicht hat er die Leiche versteckt, weil es sein erster Mord war, und er wollte sich genügend Zeit verschaffen, um sicherzugehen, dass ihm niemand auf die Spur kam.«
Dean antwortete nicht. Staceys Theorie wies Lücken auf. Er unterließ es, sie darauf aufmerksam zu machen. Sie würde von selbst darauf kommen und dann die Schlussfolgerung ziehen, die sie noch weit mehr erschüttern würde. Sie besaß einen messerscharfen Verstand und eine gute Beobachtungsgabe. Als sie den ungewöhnlichen Fleck auf dem Standbild entdeckt hatte, war ihr sofort klar gewesen, dass er etwas zu bedeuten hatte. Bald würde sie feststellen, dass sie noch etwas ebenso Wichtiges gesehen hatte.
»Aber ein Fremder hätte nicht wissen können, dass Lisa das ideale Opfer war, und auch nicht, dass niemand sich ernsthaft Sorgen machen würde, wenn sie verschwand«, flüsterte sie und starrte in die Luft über Deans Schulter, wahrscheinlich ohne überhaupt irgendetwas wahrzunehmen. Sie sah jene Nacht vor ihrem geistigen Auge. »Alle, die sich in Dicks Taverne aufgehalten haben, waren schon wenigstens ein paarmal dort gewesen. Es gab keine unbekannten Gesichter. Das hat Dick mir selbst bestätigt.«
Diese Information ließ das Detail, das sie bisher übersah, in noch grellerem Licht erscheinen, auch wenn sie das noch nicht erkennen konnte. Dean hingegen stellte sofort fest, wie wichtig es war – ein weiterer Baustein, der bestätigte, was er und das Team bereits vermuteten. Und mehr noch: Seit dem Augenblick, als der FBI -Experte für Lippenlesen ihnen eröffnet hatte, was Lisa Zimmerman kurz vor ihrem Tod zu ihrem Mörder gesagt hatte, wussten sie es mit Gewissheit.
»Und es musste jemand gewesen sein, der mit der Umgebung vertraut war. Schließlich brauchte er einen Ort, der groß genug war, um sich frei zu bewegen, Scheinwerfer und die Kamera aufzustellen – und an dem er bei alldem ungestört blieb.«
»Ja«, murmelte Dean.
In ihrem Gehirn ratterte es fast hörbar. Sie hatte es erfasst. Er konnte hören, wie ihr vor Entsetzen der Atem stockte. »Es gab überhaupt keinen Fremden, der über die Fernstraße hierhergekommen ist.«
Dean schüttelte den Kopf.
»Der Mörder kannte sich in dieser Gegend aus. Wahrscheinlich hatte er sich vorher schon einige Zeit hier aufgehalten.«
»Es kommt noch was hinzu«, erklärte Dean. Er wusste, dass es an der Zeit war, sie darüber aufzuklären, was sie außerdem durch das Video von Lisas grauenvollem Sterben erfahren hatten.
»Nämlich?«
»An einer Stelle im Film schaut sie ihn entsetzt an und sagt: ›Du?‹«
Stacey klappte der Unterkiefer herunter. Sie begriff. Trotzdem stellte er es noch einmal unmissverständlich klar.
»Der Sensenmann kannte sein Opfer persönlich. Und mit ziemlicher Sicherheit wusste sie auch, wer er war.«
Nachdem er geschlagene zwanzig Minuten lang mit dem Leiter der Cyber Division telefoniert hatte, überlegte Wyatt, ob er sich zu Taggert und dem scharfsinnigen Sheriff Rhodes im Diner gesellen sollte. Damit er ihn nicht bei seinen Telefongesprächen störte, hatte Dean ihm eine Kurznachricht geschrieben und ihm mitgeteilt, dass er zufällig den Sheriff getroffen hatte und der Ansicht war, dass sie dort eine vernünftige Mahlzeit kriegen konnten.
Nachdem Wyatt sich angehört hatte, was sein Chef über die Machenschaften zu sagen hatte, die hinter den Kulissen im Gange waren, und über das Gemaule wegen der Zuständigkeit in dem Fall mit dem Sensenmann, sehnte er sich nur noch nach einer heißen Dusche und
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