Black CATS - Parrish, L: Black CATS
ausschlafen zu können, kam ihr ganz recht. Sie hatte so schöne Dinge geträumt – es wäre schrecklich gewesen, wenn ihr das schrille Klingeln des Weckers dazwischengefunkt hätte. Sie hatte sich drei Tage Urlaub von ihrem Job im Callcenter genommen und konnte völlig unbekümmert zwischen ihren süßen Träumen und der noch süßeren Wirklichkeit hin- und herschweben. All ihre Gedanken galten Rafe, und ihr Gespräch gestern Nacht hatte Wendys Fantasie nur noch mehr beflügelt.
Sie schlug die Bettdecke zurück und versuchte nicht einmal, ihr Kichern zu unterdrücken. Sarah, ihre Mitbewohnerin, hatte das Zimmer schon vor zwei Stunden verlassen und konnte sie ohnehin nicht hören. Das war auch gut so, denn Sarah war bereits misstrauisch geworden und hatte gefragt, warum Wendy die ganze Zeit im Internet rumsurfte und mit wem sie chattete. Sarah fand es seltsam, dass ihre Freundin sich den Rest der Woche freigenommen hatte und so bald nach den Feiertagen ihre kostbaren Urlaubstage aufbrauchte.
Wendy vertraute ihr wirklich. Aber sogar jemand, der so nett war wie Sarah, konnte sich aus Versehen verplappern und damit den Prinzen – oder Herzog oder was auch immer – in Gefahr bringen. Daher war es das Beste, ihm seine Bitte zu erfüllen und ihre Online-Beziehung erst einmal vor allen geheim zu halten.
Aber nicht mehr lange. Bald würde es keinen Grund mehr geben, alles zu verschweigen. Bald wären sie zusammen wie ein ganz normales Pärchen. Wendy musste einfach ihre dummen Ängste und ihre Scheu überwinden und das tun, was das Herz ihr sagte. Sie wusste jetzt schon, dass diese Beziehung die wichtigste in ihrem Leben sein würde. Aber eines musste noch geschehen, bevor sie zusammen den nächsten Schritt gehen konnten.
Sie musste ihn von Angesicht zu Angesicht sehen.
Während sie ihr Bild im Spiegel betrachtete, fragte sie sich, ob er wohl die vereinzelten grauen Strähnen bemerken würde, die sich durch ihr dunkelbraunes Haar zogen, oder die Fältchen in ihren Augenwinkeln. Als sie vor einigen Wochen begonnen hatte, mit InXile zu chatten, hatte sie in Bezug auf ihr Alter nicht gelogen. Sie war tatsächlich Mitte dreißig – sofern man achtunddreißig als oberes Ende dieser Mitte ansah.
Außerdem legte er ganz offensichtlich keinen Wert auf Dinge wie Alter oder Aussehen oder die Tatsache, dass sie im Grunde genommen ein Kleinstadtmädchen war – und sich auch nach zehn Jahren in Baltimore immer noch vor ihrem eigenen Schatten fürchtete.
Er war geduldig, lieb und warmherzig. Genau das, was sie sich immer gewünscht hatte. Er war einfach perfekt. Und er konnte ihr gehören. Sie musste einfach nur hingehen und ihn sich schnappen.
»Bald « , flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu. Dieser Urlaub war dafür gedacht, sich darauf vorzubereiten – sowohl geistig als auch körperlich. Als Erstes stand ein Besuch im Schönheitssalon auf dem Plan, denn sie brauchte eine frische Haarfarbe. Vielleicht sogar einige Strähnchen. Dann würde sie sich im Einkaufszentrum ein paar neue Anziehsachen holen.
Sie musste wunderhübsch sein. Auch wenn die Welt niemals wissen durfte, dass er ein Prinz war, wollte Wendy tief in ihrem Herzen schön genug aussehen, um seine Prinzessin sein zu können.
Und sobald sie bereit dafür war, würde sie tief Luft holen und ein Date mit ihrem Schicksal ausmachen.
Nachdem Alec gestern Abend seinen langen zweiten Arbeitstag im neuen Job beendet hatte, hätte er nach Hause fahren, ein Bier trinken und darüber nachdenken sollen, wie sehr er den Hund vermisste, den er nicht mehr hatte – dank der Freundin, die er auch nicht mehr hatte. Die er aber auch nicht vermisste. Dann hätte er einen Happen essen und die Akten zu seinem Fall durchgehen sollen.
Das alles hatte er nicht getan. Stattdessen hatte er sich auf etwas anderes konzentriert, hatte etwas anderes gelesen als dröge Berichte und Dossiers.
Ihr Buch. Samantha Daltons Buch.
»Verdammt, sie ist gut « , sagte er zu sich selbst, als er es am Mittwochmorgen in seinem Büro noch einmal durchblätterte. Gestern Abend hatte er es in einem Zug verschlungen. Heute war er es ein zweites Mal langsam durchgegangen, hatte sich Notizen gemacht und Fragen an den Rand geschrieben.
Alec war eigentlich ein Agent aus der BAU , nicht aus der Cyber Division . Dennoch hatte er sich immer für einigermaßen gewieft gehalten – schließlich wusste er, wie er sich davor schützen konnte, dass fiese Internetabzocker mit seiner Sozialversicherungsnummer
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