Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
auf dem Schulhof war.«
Ich faltete das Stück Papier auseinander, das sie aus ihrer Frühstücksbox geholt hatte. Die Nachricht lautete: Mr. Robicheaux, ich muß mich ernsthaft mit Ihnen unterhalten. Rufen Sie mich heute nachmittag zu Hause an – Tess Tegan. Unter ihrem Namen stand die Telefonnummer.
»Was ist das für ein Mann, von dem du da erzählst, Alafair?« sagte ich.
Eine Meute Kinder rannte auf dem Bürgersteig an uns vorbei. Das Sonnenlicht, das durch die Äste der Ahornbäume fiel, warf Muster auf ihre Körper.
»Die anderen Kinder haben gesagt, daß er da an der Ecke in einem Auto gewartet hat. Ich hab ihn nicht gesehen. Sie haben gesagt, er hat durch so ein Ding geguckt, wie heißt das noch mal, Dave? Du hast auch eins im Truck.«
»Feldstecher?«
»Sie haben was anderes gesagt.«
»Fernglas?«
»Ja.« Sie grinste zu mir hoch, als sie das Wort wiedererkannte.
»Nach wem hat er damit geschaut, Alafair?«
»Weiß ich nicht.«
»Und warum will Miss Regan mit mir darüber reden?«
»Weiß ich nicht.«
»Um wieviel Uhr war der Kerl da?«
»In der großen Pause.«
»Und um wieviel Uhr war die große Pause?«
»Für die ersten drei Klassen um halb elf.«
»Da war er da vorne an der Ecke?«
»Weiß ich nicht, Dave. Warum machst du so ein ängstliches Gesicht?«
Ich holte tief Luft, ließ ihre Hand los und streichelte ihr über den Kopf.
»Manchmal versuchen sich so merkwürdige Männer, Männer, die nichts Gutes an sich haben, in der Nähe von Schulen oder auf Spielplätzen an kleine Kinder ranzumachen. Es gibt nicht viele, aber man muß sich vor ihnen in acht nehmen. Sprich nicht mit ihnen, nimm nichts an, wenn sie dir was geben wollen, und laß dir nichts von ihnen kaufen. Und ganz egal, was sie sagen, geh nirgendwo mit ihnen hin, und steig nie zu ihnen ins Auto. Hast du das gut verstanden, kleines Kerlchen?«
»Klar, Dave.«
»So ein Mann erzählt dir, er wäre ein Freund von deinem Vater, daß dein Vater ihn geschickt hätte, um dich abzuholen. Aber wenn er ein Freund wäre, würdest du ihn doch kennen, stimmt’s?«
»Wollen sie Kindern weh tun?«
»Manche ja. Manche sind sehr böse Menschen.«
Zweifel und Angst legten sich wie Schatten über ihr Gesicht. Sie mußte schlucken. Ich nahm sie wieder an der Hand.
»Hab keine Angst, kleines Kerlchen«, sagte ich. »Ich hab’s dir doch schon oft gesagt: Manchmal müssen wir einfach gut aufpassen. Miss Regan sagt das doch allen Kindern, oder? Ist nichts Besonderes.«
Aber es klappte nicht. Ihren Augen war abzulesen, daß sie von der Erinnerung an Bilder überwältigt wurde, die ich nicht austilgen konnte.
»Schau, wenn ich dir sage, daß du deine Finger nicht in den Ventilator halten sollst, heißt das doch nicht, daß du vor dem Ventilator Angst zu haben brauchst, oder?« sagte ich.
»Nein.«
»Wenn ich dir sage, du sollst Tripod nicht die Finger ins Maul stecken, heißt das doch nicht, daß du vor Tripod Angst zu haben brauchst, oder?«
»Nein.« Sie verzog kaum wahrnehmbar die Augen.
»Wenn Clarise Tex nicht erlaubt, vom Frühstückstisch zu fressen, heißt das doch nicht, daß sie Angst vor Pferden hat, oder?«
Sie grinste zu mir auf und blinzelte dann in die Sonne. Ich hob sie hoch und nahm sie unter den Ahornbäumen auf den Arm, aber ich fühlte mich dabei, als hätte ich ein Winkeleisen in der Brust.
Zu Hause stürzte sie ein Glas Milch hinunter und schnitt sich am Küchentisch ein Stück Kuchen ab, dann wusch sie die Frühstücksbox und ihre Thermosflasche aus und begann ihr Zimmer aufzuräumen. Ich nahm das Telefon mit ins Bad, damit sie nicht hören konnte, was ich mit Tess Regan besprach.
»Was hat das mit dem Kerl auf dem Schulgelände auf sich?« fragte ich.
»Entschuldigen Sie bitte?«
»Sie haben mir eine Nachricht geschickt. Dann hat mir Alafair von dem Kerl mit dem Fernglas erzählt.«
»Ich habe Ihren Ton gemeint. Sind Sie am Telefon immer so mürrisch zu anderen Leuten?«
»Heute ist ein außergewöhnlicher Tag. Sehen Sie, Miss Regan, Tess, was war los?«
»In der großen Pause setzten wir einige Schüler aus der achten Klasse als Pausenaufsicht für die kleineren Kinder ein. Jason, einer der Aufpasser, sah einen Mann unter den Bäumen auf der anderen Straßenseite parken. Er beobachtete, wie der Mann zum Schulhofzaun ging und nach Alafair Robicheaux fragte. Er gab sich als Freund ihres Vaters aus und sagte, daß er eine Nachricht für sie habe. Wir bringen allen Kindern bei, nicht mit fremden Leuten
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