Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Sie war wie ein Cajun-Fischermädchen gekleidet und trug von der Sonne ausgebleichte Jeans, Tennisschuhe ohne Socken und ein Khakihemd mit abgeschnittenen Ärmeln. Der Geruch war überall. Sie deutete auf meinen Vater, der, eine Schaufel über der Schulter, auf der Sandbank auf mich wartete.
Hab keine Angst, sagte sie, geh mit AI.
Diesmal will ich nicht.
Du darfst dir über diese Dinge keine Sorgen machen. Wir beide lieben dich.
Du wirst mich bald verlassen, nicht?
Sie musterte mich freundlich, und ihr Blick wanderte über mein Gesicht, als wäre sie eine ältere Schwester, die auf ihren kleinen Bruder aufpaßt.
Ich folgte meinem Vater in den Sumpf. Unsere Tennisschuhe spritzten in den morastigen Mulden, nasse Weidenäste schlugen uns ins Gesicht. Die Morgensonne stand groß und heiß über dem Rand des überschwemmten Waldes, und Zypressen hoben sich schwarz vom roten Licht ab. Das Brackwasser war mit einer grünen Algenschicht bedeckt; Mokassinschlangen lagen zusammengerollt auf den unteren Ästen der Bäume. Der Geruch wurde so stark, daß ich mir die Hand vor das Gesicht halten und durch den Mund atmen mußte. Wir kamen aus einem Morastloch auf eine dichtbewachsene Sandbank, und vor uns lag der verfaulende Kadaver des größten Alligators, den ich je gesehen hatte. Eine Bootsschraube hatte ihm riesige Fleischstücke aus dem Rücken gerissen. Die Spur seines Schwanzes und die scharfgezackten Abdrücke seiner Pfoten verliefen von der Sandbank zurück zu den Bäumen. Ich konnte das offene Wasser sehen, wo er wahrscheinlich von irgendeinem Fischerboot oder einem Schleppkahn der Bohrgesellschaften erwischt worden war, bevor er sich an den Strand gerettet und zu der Stelle geschleppt hatte, an der sich nun Bussarde und Schlangen über ihn hermachten.
»Mais, das stinkt«, sagte mein Vater und fächelte vor seinem Gesicht herum. »Grab ein Loch.« Er reichte mir die Schaufel und grinste dabei, wie er es nicht selten tat, wenn er mir einen Streich spielen wollte. »Wo willst’n das Loch graben, du?«
Ich wußte nicht, was er meinte. Ich begann, mit der Kante der Schaufel im trockenen Sand herumzukratzen.
»Que t’as prés faire, cher? Tu veux travailler comme un neg?« sagte er und lachte. (Was machst du denn da, mein Lieber? Willst du etwa wie ein Neger schuften?)
Ich drückte die Schaufel wieder in den harten Sand, hörte es knirschen und spürte, wie sie abrutschte. Er nahm mir das Werkzeug aus der Hand, ging zu einer Bodensenke auf der Sandbank, wo das Wasser zweier Morastlöcher einen kleinen Kanal in den Sand gewaschen hatte, und grub ohne große Mühe ein tiefes Loch in den feuchten Sand, den er grinsend hoch in die Sonne schippte.
»Du machst’s da, wo’s weich ist«, sagte er. »Hast nichts von deinem alten Herrn gelernt?«
Ich erwachte vom Gezwitscher der Vögel in den Bäumen vor meinem Fenster, war vom ungewohnten Schlaf am Nachmittag benommen. Ich ging ins Bad, ließ mir Wasser übers Gesicht laufen und inspizierte im Spiegel über dem Waschbecken die harte, purpurrote Beule, die unter meinem Haaransatz verlief. Abgesehen davon, daß ich meinen Vater und Annie vermißte, mich vor dem Tod fürchtete und einen törichten Kampf gegen die Unumkehrbarkeit der Zeit führte, ergab sich aus dem Traum für mich keinerlei Sinn.
Al, was versuchst du mir zu sagen? dachte ich, während ich zusah, wie meinem Spiegelbild das Wasser vom Gesicht lief.
Kurz vor drei ging ich zur Schule und wartete am Pausenhof auf Alafair. Ein paar Minuten später flogen die Türen auf, und sie kam mit einer ganzen Horde Kinder über das rautenförmige Softballfeld gerannt, eindeutig erkennbar am Geklapper ihrer Donald-Duck-Frühstücksdose. Ihre Jeans war an den Knien verdreckt, und an ihrem Hals klebten Schweiß und Staub.
»Was habt ihr Lauser denn heute in der Pause getrieben? Etwa Schlammringen?« sagte ich.
»Miss Regan hat uns Völkerball spielen lassen. Das macht Spaß. Mich hat ein Ball am Hintern erwischt. Hast du’s auch schon mal gespielt, Dave?«
»Na klar.«
»Was ist denn mit deinem Kopf passiert?«
»Den hab ich mir gestoßen, als ich was am Truck repariert habe. Ganz schön ungeschickt, was?«
Sie sah mich neugierig an, schob dann ihre kleine Hand in meine und hängte sich an meinen Arm.
»Hätt ich fast vergessen«, sagte sie. »Miss Regan hat gesagt, ich soll dir den Zettel hier geben. Sie will dich auch noch mal anrufen.«
»Um was geht’s?«
»Um den Mann.«
» Welchen Mann?«
»Um den, der
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