Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Uhr gewartet, wenn wir beide zu Hause gewesen wären, oder er wäre am Wochenende gekommen.
Blieb also nur Harry Mapes. Als ich ihn südlich des Reservats der Schwarzfuß-Indianer gesehen hatte, fuhr er zwar einen schwarzen Jeep, aber vielleicht arbeitete der Mann mit dem Fernglas, der einen gelben Wagen benutzte, mit ihm zusammen oder war von ihm angeheuert worden. Warum wollte er mir jetzt Druck machen? Dachte er, ich wäre kurz davor, irgendwas zu rinden, was ich gegen ihn verwenden könnte? Falls dem so war, traute er mir mehr zu als ich.
Ich rief Schwester Louise, die Direktorin der Schule, an und erwischte sie, als sie gerade ihr Büro verlassen wollte. Sie hatte bereits mit Tess Regan gesprochen und war über mein Verhalten ähnlich ungehalten. Sie hörte sich an wie manch eine der Nonnen, die ich als Kind kennengelernt hatte. Frauen, deren dunkle Ordenstracht aussah wie ein transportabler Ofen, die uns mit Zeichenlinealen auf die Fingerknöchel droschen und mit gezielt geworfenen Rosenkränzen jeden Fluchtversuch stoppten. Sie ließ mich wissen, daß sie den Vorfall der Polizei gemeldet hatte, und meinte, ich solle dies ebenfalls tun, und ab dem nächsten Morgen sei neben der Schule ein Streifenwagen postiert.
»Ich würde trotzdem gerne mit dem Jungen reden, wie heißt er noch, Jason«, sagte ich.
»Er hat mir alles erzählt, was er weiß. Er ist schüchtern und kein Kind, das sich besondere Einzelheiten von Erwachsenen merkt.«
»Kann er sich erinnern, ob der Mann mit Akzent sprach?«
»Er ist vierzehn Jahre alt und bestimmt kein Sprachwissenschaftler.«
»Schwester, es ist gut, daß ab morgen ein Streifenwagen da ist. Aber unser Mann wird nicht zurückkommen, wenn die Cops Wache schieben.«
»Darum geht es doch, oder nicht?«
»Aber er könnte es tun, wenn sie wieder weg sind. Dann können wir ihn uns schnappen.«
»Ein ›wir‹ gibt es in dieser Angelegenheit nicht, Mr. Robicheaux.«
»Verstehe.«
»Das freut mich zu hören. Guten Tag.«
Zum zweitenmal innerhalb von zehn Minuten hatte jemand einfach eingehängt.
Ich ging mit Alafair in den Park und ließ sie ein bißchen spielen, dann kehrten wir nach Hause zurück und bereiteten das Abendessen vor. Clete hatte mir gesagt, ich könne ihn um sechs in der Eastgate Lounge anrufen. Ich war mir nicht sicher, ob ich das tun sollte. Was immer er auch mit Charlie Dodds angestellt hatte, es war sicher nichts Angenehmes. Aber zu. diesem Zeitpunkt kamen mir sowohl meine Schwierigkeiten mit der Justiz als auch die Gefahr, in der Alafair und ich schwebten, so unlösbar vor, daß ich mich fragte, warum ich mir über das Schicksal einer so verkommenen und psychotischen Erscheinung wie Dodds Sorgen machte, über einen Mann, der nur einmal in mein Leben getreten war und dem niemand nachtrauern würde, außer vielleicht Sally Dio, weil er ihm wahrscheinlich die Hälfte des Blutgelds im voraus bezahlt hatte. Es war inzwischen halb sechs, und wir saßen seit fünf Minuten beim Abendessen, als ich hörte, wie ein Wagen vor dem Haus hielt und jemand zur Veranda heraufkam.
Noch bevor ich seine Silhouette hinter der Fliegengittertür erkennen konnte, sah ich Dixie Lees verbeulten Cadillac, der mit zwei Rädern auf meinem Rasen stand. Das Verdeck war heruntergelassen, aber ich konnte sehen, daß die Rückbank mit Koffern, Pappkartons voller Kleidungsstücke und Cowboystiefeln beladen war und Westernanzüge auf Drahtbügeln in den hinteren Seitenfenstern hingen.
Sein plötzlicher Sinneswandel, seine Zukunftspläne, sein einstudiertes Flehen um Hilfe, all das war nur zu durchsichtig. Ich öffnete ihm nicht die Tür. Ich schämte mich sogar ein bißchen, weil ich überhaupt kein Mitleid mit ihm hatte. Aber es war ein harter Tag für mich gewesen, und Dixie Lee war so ziemlich der letzte, den ich jetzt gebrauchen konnte. Allerdings verstand er es ausgezeichnet, seiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen. Er hatte die letzten Kraftreserven mobilisiert, wie man es bei Säufern oft erlebt, die wissen, daß sie auf den letzten Tropfen im Tank laufen.
»Da oben am See läuft langsam alles aus dem Ruder«, sagte er. »Du hast recht, Sal ist ein Scheißkerl. Ne, das ist noch untertrieben. Er ist übergeschnappt. Er will dir den Arsch auf kleiner Flamme garen. Ich konnte da nicht länger bleiben. Ich mußte abhauen.«
»Red nicht so ordinär daher. Du siehst doch, daß meine Tochter hier ist.«
»Tut mir leid. Aber du hast ja keine Ahnung, wie sich Sal aufführt, wenn’s
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