Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Enden in der Krone gehabt haben mußte; aber ich sah nichts, was in irgendeiner Weise ungewöhnlich war oder mir hätte helfen können, das Schicksal von Clayton Desmarteau und seinem Cousin zu klären.
Schließlich kam ich zu einer Quelle, die auf der gegenüberliegenden Seite des Bachs dem Hang entsprang. Das Wasser tröpfelte über Felsbrocken und hatte die lockere Erde weggeschwemmt und die knorrigen Wurzeln einiger kleinerer Pinien auf dem Hang freigelegt. Es sickerte über einen breiten Streifen nasser Piniennadeln und schwarzer Blätter, und dort war der Boden matschig und voller Pilze und dunkler Farnkräuter. Ich konnte das Wasser ebenso riechen wie die kühlen Steine, die feuchte Erde und die freigelegten Wurzeln, die in der schwachen Strömung herunterhingen wie braune Spinnweben. Alles zusammen roch wie der ausgetrocknete Bach auf meinem Grundstück daheim in Louisiana. Ich fragte mich, wann ich dorthin zurückkehren würde, oder besser, wann es mir möglich wäre. Ich war nämlich zu der Überzeugung gelangt, daß ich nicht vorhatte, mich einem Prozeß zu stellen und die eher wahrscheinliche Haftstrafe im Knast von Angola auf mich zu nehmen, wenn ich keine besseren Verteidigungspunkte zustande kriegte als die, die ich hatte.
Ich war müde. Nachdem ich zurück zu meinem Truck gewandert war, fuhr ich im langsam trüber werdenden Licht zwischen feuchten Feldern die Straße entlang, als plötzlich im Seitenspiegel ein schwarzer Willys Jeepster auftauchte, ein Nachbau des klassischen Modells, das unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg produziert worden war. Da die Straße naß und ohne Staub war, konnte ich die Konturen des Mannes am Lenkrad erkennen. Plötzlich beschleunigte er und fuhr dicht auf meine hintere Stoßstange auf, als wolle er mein Gesicht im Außenspiegel reflektieren sehen oder irgendein Detail meines Pick-ups studieren, den Namen der Verkaufsfirma etwa oder den Aufkleber, auf dem Mulate’s, Breaux Bridge, Louisiana, stand. Vor uns lag die breite, blockhausähnliche Taverne, in der Clayton Desmarteau und sein Cousin wahrscheinlich den letzten Abend ihres Lebens verbracht hatten, wo Darlene Drinks zu den Tischen geschleppt und dabei vermutlich Dixie Lee Pugh kennengelernt hatte, als er sich mal wieder besinnungslos soff, wo sie ihn davor bewahrt hatte, den Schädel eingeschlagen zu bekommen, und von wo sie ihn über die Berge zu Sally Dios Haus am Flathead Lake gefahren hatte. Es wurde neblig, und auf dem Dach ging unter dem grauen Himmel das lila und orange Neonlicht eines indianischen Kriegerkopfschmuckes auf.
Ich steuerte den Wagen auf den schotterbedeckten Parkplatz und wartete ab, was der Fahrer des Jeepsters tun würde. Er folgte und hielt genau neben mir, hatte die langen Finger oben auf dem Lenkrad liegen und starrte mich durchdringend durchs Beifahrerfenster an. Gesicht, Stirn und Hals waren voller Wundschorfstellen, wodurch er aussah, als wäre er durch eine rostige Spinnwebe gelaufen.
Ich wünschte, er würde statt dessen die Tür öffnen und mir seinen Zorn entgegenschleudern. Ich wollte eine Waffe in seiner Hand sehen und den Adrenalinstoß spüren, jenen Zustand erlangen, der Gewalt legitim erscheinen läßt, die Seele erleuchtet und reinigt, alle Mehrdeutigkeiten auflöst.
Aber Harry Mapes hielt das bessere Blatt in der Hand. Harry Mapes war Hubschrauberpilot in Vietnam gewesen, und er wußte, daß es gar nichts an der eigenen Lage veränderte, wenn man ein einzelnes pyjamatragendes Ziel mitten auf einem spiegelglatten Reisfeld vor den Lauf seines Schnellfeuergewehrs bekam.
Er fuhr über den Parkplatz und hielt beim Haupteingang, wo neben einem Truck drei Indianer in Arbeitskleidung Bierdosen leerten. Bevor er aus seinem Jeepster ausstieg, zündete er sich mit einem goldenen Feuerzeug eine Zigarette an, dann betrat er die Bar, ohne sich nach mir umzudrehen.
Als ich an diesem Abend zurück nach Missoula kam, hatte Alafair schon mit dem Kindermädchen gegessen, aber ich nahm sie trotzdem mit zu einer Pizzeria, die sich Red Pies Over Montana nannte und in der wir uns ein spätes Mahl gönnten. Sie trug ihre Jeans mit dem elastischen Bund, Ledersandalen zu weißen Söckchen, die jetzt allerdings vom Staub des Spielplatzes eher grau waren, und ihr gelbes T-Shirt mit einem grinsenden roten Wal und der Aufschrift »Baby Orca«. Ihre Bäckchen waren mit roter Pizzasoße verschmiert. Durch die Fenster des Restaurants konnte ich über den Bergen die Sterne leuchten
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