Black Cherry Blues (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
hatte?«
»Über seine Familie weiß ich überhaupt nichts. Er lebt nicht im Reservat. Er tauchte da immer bloß auf, um dem AIM zu helfen, Aktionen gegen die Öl- und Gaskonzerne zu organisieren. Die versauen die ganzen Berghänge im Osten, bauen Pipelines und Raffinerien und lauter solchen Scheißdreck.«
»Welche Augenfarbe hatte er?«
»Seine Augenfarbe?« Er drehte sich zu mir um und grinste mich durch das rote Gestrüpp in seinem Gesicht an. Hinten fehlten ihm ein paar Zähne. »Seh ich aus, als lauf ich rum und schau Männern in die Augen?«
»Sag schon, waren sie türkis?«
»Was zum Teufel weiß ich denn über die Augen von irgendwelchen Kerlen? Mit was für Zeug kommst du mir da eigentlich, Mann?«
»Er ist von der Polizei«, sagte die Frau mit dem Kind.
»Stimmt das?« sagte der Fahrer.
»Nein.«
»Warum fragst du mir dann ’n Loch in Bauch? Willst du Claytons Leute noch tiefer in die Scheiße reiten?« Um die Lederbänder an seinen Unterarmen wucherte rotes Haar, das wie Metalldraht aussah.
»Nein.«
»Die Indianer können auf noch mehr Scherereien verzichten. Sie sind die Ureinwohner, Mann. Was ich sagen will, ist, daß das Land hier ihnen gehört und die Weißen sie seit zweihundert Jahren nach Strich und Faden zuscheißen.«
»Ich will hier aussteigen«, sagte ich.
»Gefällt dir etwas nicht, was ich gesagt habe?«
»Nicht deshalb, Partner. Es hat aufgehört zu regnen, und ein bißchen Bewegung kann mir nicht schaden. Mein Track steht gleich hinter dem nächsten Berg.«
»Wir machen niemand Ärger. Wir wollten dir bloß aus der Patsche helfen. In diesem Staat gibt’s ’ne Menge Leute, vor denen man besser auf der Hut ist. Ich red hier nicht für die Wände, Kamerad. Es liegt an der Zeit«, sagte er.
Ich stand vor einer grünen Weide am Straßenrand, atmete die klamme, sonnendurchflutete Luft ein und sah zu, wie der Bus hinter dem Berg verschwand. Bis zu meinem Truck war es noch gut eine Meile.
Die alte Frau jätete gerade in einem steinigen Gemüsebeet hinter ihrem Haus Unkraut. Sie trug Schnürstiefel, eine Männerwollhose, die ihr viel zu groß war, ein khakifarbenes Hemd und um den Kopf ein Tuch. In der Ferne senkte sich das Feuchtland zur Wasserscheide hin, wo Berge ungestüm zum Himmel empordrängten, deren nackte, dunkelrote Felswände gerade im Schatten lagen. Hoch oben hatte es geschneit, und die Ponderosa-Kiefern auf den Kämmen und in den Karen waren weiß. Als ich ihr Holztor öffnete und auf den Hof trat, warf die alte Frau mir nur einen kurzen Seitenblick zu und fuhr dann fort, das Unkraut zwischen ihrem Gemüse zu bearbeiten, als gäbe es mich nicht.
»Darlene American Horse ist Ihre Tochter, nicht wahr?« fragte ich. Sie gab keine Antwort. Ihr weißes Haar lugte unter dem Kopftuch hervor, und sie hatte die Augenwinkel zusammengekniffen, während sie sich auf die Arbeit konzentrierte.
»Mrs. Desmarteau, glauben Sie mir, ich komme als Freund«, sagte ich. »Ich will herausfinden, was mit Ihrem Sohn passiert ist. Und ich will Darlene helfen, wenn ich es kann.«
Mit einem dumpfen Laut schlug sie die Hacke in die schmutzige Erde voller Steine und beseitigte das Unkraut zwischen den Kohlköpfen, ohne auch nur ein Blatt zu berühren.
»Ich fürchte, Darlene lebt bei Leuten, die nichts taugen. Ich will sie von dort fortholen«, sagte ich.
Sie zog die Tür eines verfallenen Toilettenhäuschens auf, das offensichtlich nicht mehr zu diesem Zweck benutzt wurde, stellte die Hacke hinein und nahm eine Schaufel heraus. An der Rückwand des Häuschens lag eine buntgescheckte Katze auf einem Stapel Jutesäcke und pflegte ihren Wurf Junge. Mrs. Desmarteau legte die Schaufel quer über einen mit Mist beladenen Schubkarren und machte sich daran, ihn zum Gemüsebeet zu schieben. Ich nahm ihr die Griffe aus den Händen, schob den Karren ins Ziel und begann, den Mist in kleinen Häufchen am Ende der Gemüsereihen abzuladen. Die Wolken zwischen den Bergspitzen waren purpurrot, und der Wind blies Schnee von den Rändern des Canyons. Hinter mir hörte ich die Plastikfolien, die als Wärmeschutz dienten, gegen die Fenster klappern.
»Sie ist Ihre Tochter, nicht wahr?« wiederholte ich.
»Sind Sie einer vom FBI?« sagte sie.
»Nein, bin ich nicht. Aber früher war ich mal bei der Polizei. Jetzt nicht mehr. Ich bin nur ein Mann, der in Schwierigkeiten steckt.«
Zum erstenmal sah sie mir direkt in die Augen.
»Wenn Sie Darlene kennen, warum fragen Sie dann, ob sie meine Tochter ist?«
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