Black Dagger 04 - Bruderkrieg
völlig unbewegt da und blickten Rhage an.
Und ihre Gesichter drückten alle denselben Schmerz aus wie seins.
Sie werden doch wohl nicht …
Der mit dem Bärtchen begegnete ihrem Blick.
Sie haben.
»Ihr habt das getan«, zischte sie. »Ihr habt ihm das angetan. «
»Ja«, entgegnete der mit der Sonnenbrille. »Und es geht dich nichts an.«
»Ihr Mistkerle.«
Rhage machte ein Geräusch und räusperte sich dann. »Lasst uns allein.«
»Wir sehen später nach dir, Hollywood«, sagte der mit den bunten Haaren. »Brauchst du noch etwas?«
»Außer einer Hauttransplantation und einem großen Whiskey?« Rhage grinste schief und zuckte zusammen, als er sein Gewicht verlagerte.
Mary funkelte die Rücken der Männer zornig an, als sie den Raum verließen. Diese Gott verfluchten … Tiere.
»Mary?«, hörte sie Rhage murmeln. »Mary.«
Sie versuchte, sich zusammenzureißen. Sich über diese Schlägerbande aufzuregen, half Rhage im Augenblick auch nicht weiter. Warum, um Himmels willen?
Mitleidig blickte sie auf ihn herab, schluckte ihre Wut herunter und sagte: »Darf ich diesen Arzt für dich rufen, von dem du mir erzählt hast? Wie hieß er noch?«
»Nein.«
Sie wollte ihm sagen, dass er sich seine »ein Indianer kennt keinen Schmerz«-Nummer sonst wohin stecken konnte. Doch sie wusste, dass er dann mit ihr streiten würde, und Streit war das Letzte, was er im Moment brauchen konnte.
»Soll ich dir den Umhang ausziehen?«, fragte sie.
»Ja, bitte. Wenn du meinen Anblick aushältst.«
»Mach dir darüber mal keine Sorgen.«
Als sie die schwarze Seide von seinem Körper zog, hätte sie am liebsten geschrien. Er rollte sich hin und her, um ihr beim Ausziehen behilflich zu sein und ächzte dabei vor Schmerzen. Endlich hatten sie es geschafft, doch durch die Bewegung sickerte Blut an seiner Seite herunter.
Das wunderschöne Federbett würde ruiniert, dachte sie. Scheißegal.
»Du hast eine Menge Blut verloren.« Sie knüllte den schwarzen Umhang zusammen.
»Ja, ich weiß.« Erschöpft schloss er die Augen und ließ den Kopf auf das Kissen sinken. Sein nackter Körper wurde von einer Reihe von Krämpfen geschüttelt, das Zittern seiner Oberschenkel, seines Bauchs und seiner Brust rüttelte an der Matratze.
Mary warf den Umhang in die Badewanne und kam zurück. »Haben sie die Wunden gesäubert, bevor sie dich verbunden haben?«
»Keine Ahnung.«
»Ich sollte mir das besser mal ansehen.«
»Warte eine Stunde. Dann wird die Blutung aufgehört haben.« Er holte tief Luft und zog eine Grimasse. »Mary, sie mussten es tun.«
»Was?« Sie beugte sich über ihn.
»Sie mussten das hier tun. Ich bin nicht …« Ein leises Stöhnen. »Sei nicht wütend auf sie.«
Und ob sie wütend war.
»Mary.« Seine Stimme hatte diesmal mehr Nachdruck, sein trüber Blick blieb an ihr hängen. »Ich habe ihnen keine Wahl gelassen.«
»Was hast du getan?«
»Es ist jetzt vorbei. Und du sollst nicht wütend sein.« Seine Augen rollten wieder zur Seite.
Was sie betraf, würde sie so wütend auf diese Mistkerle sein, wie sie wollte.
»Mary?«
»Keine Sorge.« Sie streichelte seine Wange. Wenn sie ihm doch nur das Blut vom Gesicht waschen dürfte. Als er bei der sanften Berührung zusammenzuckte, zog sie die Hand zurück. »Darf ich dir bitte irgendetwas Gutes tun?«
»Sprich einfach mit mir. Lies mir was vor …«
Auf dem Regal neben der DVD-Sammlung standen einige zeitgenössische Bücher. Sie suchte einen Harry Potter aus, den zweiten Band, und zog einen Stuhl ans Bett.
Anfangs fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren, weil sie immer auf seine unregelmäßige Atmung horchte, doch schließlich fand sie einen Rhythmus, in dem sie lesen konnte. Seine Atmung wurde allmählich langsamer, und die Krämpfe hörten auf.
Als er eingeschlafen war, schloss sie das Buch. Seine Stirn war gerunzelt, die Lippen blass und schmal. Für sie war es furchtbar, dass der Schmerz ihm selbst im Schlaf keine Ruhe ließ.
Mary spürte, wie die Jahre von ihr abfielen und sie in die Vergangenheit zurückkehrte.
Sie sah das gelbe Schlafzimmer ihrer Mutter. Roch Desinfektionsmittel. Hörte mühsames, verzweifeltes Luftholen.
Jetzt saß sie also wieder an einem Bett, dachte sie. Sah hilflos jemandem beim Leiden zu.
Ihr Blick blieb an dem Gemälde der Madonna mit Kind hängen. Hier in diesem Zimmer war das Bild ein Kunstwerk, kein Symbol, Teil einer museumsreifen Sammlung und reine Dekoration.
Also musste sie das verdammte Ding nicht hassen. Und
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