Black Dagger 05 - Mondspur
Körper, und er ließ die Waffe fallen. Mit zusammengebissenen Zähnen suchte er mit dem freien Fuß einen Halt im Felsen und drückte sich mit aller
Kraft, die noch in ihm steckte, ab. Er schrie, als sein Bein zersplitterte und abriss.
Und dann war da die gähnende Leere der freien Luft.
Das Meer war eiskalt gewesen, aber der Schock hatte ihn wieder zu Bewusstsein gebracht, und die Wunde versiegelt, sodass er nicht verblutete. Benommen, würgend, verzweifelt hatte er den Kopf über Wasser gehalten, ohne seinen unbarmherzigen Griff um Zsadist jemals zu lockern. Er zerrte ihn in seine Arme, hielt seinen Kopf über Wasser und schwamm mit ihm ans Ufer.
Gott sei Dank war unweit der Stelle, an der sie im Wasser aufgetroffen waren, ein Höhleneingang gewesen, und Phury brachte sie beide mit letzter Kraft in die dunkle Mündung. Nachdem er sich und Zsadist aus dem Wasser gehievt hatte, war er praktisch blind. Er schleppte sie beide, so weit es irgend ging, in die Höhle hinein. Eine Biegung in der natürlichen Struktur war ihre Rettung, indem sie ihnen die nötige Dunkelheit bot.
Dort verbarg er sich und seinen Zwilling vor der Sonne. Er drückte Zsadist fest an sich, um ihrer beider Körperwärme zu bewahren, und starrte verloren in die Schwärze.
Phury rieb sich die Augen. Gütige Jungfrau, der Anblick von Zsadist, wie er auf diesem Lager angekettet war …
Seit jener Rettung hatte Phury einen wiederkehrenden Albtraum, einen, der ihn jedes Mal wieder in Angst und Schrecken versetzte, wenn sein Unterbewusstsein ihn damit quälte. Der Traum war immer gleich: Er rannte die verborgene Treppe hinunter und warf die Tür auf. Zsadist lag in Fesseln vor ihm. Catronia stand in der Ecke, lachend. Sobald Phury in der Zelle ankam, wandte Z den Kopf zu ihm, und seine schwarzen, leblosen Augen blickten ihn aus einem Gesicht ohne Narben an. Mit harter Stimme sagte er dann: »Lass mich hier, Bruder. Ich will hierbleiben.«
Das war immer Phurys Stichwort, in kalten Schweiß gebadet aufzuwachen.
»Hey, was ist los, Mann?«
Butchs Stimme war durchdringend, aber willkommen. Phury fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, dann blickte er über die Schulter. »Ich genieße nur die Aussicht.«
»Ich gebe dir mal einen heißen Tipp. So was macht man an einem tropischen Strand, nicht hier draußen in der Eiseskälte. Hör mal, komm doch zum Essen rein, ja? Rhage wollte Pfannkuchen haben, und Mary hat einen ganzen Tanklaster voller Teig gemacht. Und Fritz dreht fast durch vor lauter Sorge, dass er nicht behilflich sein darf.«
»Klar. Gute Idee.« Als sie ins Haus gingen, sagte Phury: »Kann ich dich mal was fragen?«
»Sicher. Was ist denn?«
Phury blieb am Billardtisch stehen und hob die Achterkugel auf. »Als du noch bei der Mordkommission warst, hast du doch sicher eine Menge fertiger Leute zu sehen bekommen, oder? Leute, die ihre Ehemänner oder Frauen … Söhne oder Töchter verloren haben.« Als Butch langsam nickte, fuhr er fort: »Hast du jemals herausgefunden, was mit ihnen passiert ist? Ich meine, mit den Hinterbliebenen. Weißt du, ob sie jemals darüber hinwegkommen?«
Butch rieb sich mit dem Daumen über die Augenbraue. »Nein, weiß ich nicht.«
»Klar, ich vermute mal, man beschäftigt sich nicht so mit …«
»Aber ich kann dir sagen, dass ich niemals darüber hinweggekommen bin.«
»Du meinst, der Anblick dieser Leichen hat sich dir für immer eingebrannt?«
Der Mensch schüttelte den Kopf. »Du hast die Schwestern vergessen. Brüder und Schwestern.«
»Was?«
»Die Leute verlieren Ehemänner und Frauen, Söhne, Töchter … und Geschwister. Ich habe eine Schwester verloren, als ich zwölf war. Zwei Jungs haben sie auf dem Sportplatz der Schule so lange missbraucht und geschlagen, bis sie gestorben ist. Darüber bin ich nie hinweggekommen. «
»Du lieber …« Phury hielt inne, er merkte, dass sie nicht allein waren.
Mit nacktem Oberkörper stand Zsadist im Türrahmen. Der Schweiß floss ihm in Strömen herunter, als wäre er kilometerweit auf dem Laufband gerannt.
Als Phury seinen Zwilling ansah, spürte er ein vertrautes Gefühl des Herabsinkens: als wäre Z ständig von einer Art Tiefdruckgebiet umgeben.
Mit rauer Stimme sagte Zsadist jetzt: »Ich möchte, dass ihr beide mich heute Nacht begleitet.«
»Wohin?«, fragte Butch.
»Bella will zu ihrem Haus, und ich bringe sie nicht ohne Verstärkung dahin. Ich brauche auch ein Auto, falls sie ein paar Sachen von dort mitnehmen möchte, und ich
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