Black Dagger 05 - Mondspur
mitgenommen hatte, und sein gesunder Menschenverstand setzte vollständig aus.
Und genau das brachte ihn in die Klemme. Ohne sie zu leben, wäre furchtbar. Und auch wenn die Vorstellung, nach ihrem Tod durch Selbstmord abzutreten, verlockend war, würde ihn so ein Stunt doch nur für alle Ewigkeit zu Omega katapultieren. Denn Lesser kehrten nun einmal zu ihrem Meister zurück, wenn sie zerstört wurden.
Doch dann kam ihm ein Gedanke. Er stellte sich seine Frau in vielen Jahren vor, die Haut verblasst, das Haar gebleicht, die Augen in der Farbe der Wolken. Ein Lesser wie er. Die Lösung war so perfekt, dass sein Fuß vom Gas rutschte und der Pick-up mitten auf der Straße zum Stehen kam.
Auf diese Weise würde sie für immer ihm gehören.
Als es auf Mitternacht zuging, zog Bella eine alte Jeans und den roten Pulli an, den sie so sehr mochte. Dann ging sie ins Badezimmer, zog die beiden Handtücher vom Spiegel fort und betrachtete sich. Ihr Spiegelbild war das derselben Frau, die sie schon immer darin gesehen hatte: blaue Augen. Hohe Wangenknochen. Volle Lippen. Eine Masse dunkelbraunen Haares.
Sie hob den Saum des Pullis hoch und warf einen verstohlenen Blick auf ihren Bauch. Die Haut war makellos, nicht länger vom Namen des Lesser gezeichnet. Sie legte die flache Hand auf die Stelle, an der die Buchstaben gewesen waren.
»Bist du so weit?«, fragte Zsadist.
Sie schaute in den Spiegel. Er ragte hinter ihr auf, ganz in Schwarz, Waffen am Körper hängend. Seine kohlschwarzen Augen fixierten die entblößte Haut.
»Die Narben sind verheilt«, sagte sie. »In nur achtundvierzig Stunden.«
»Ja. Und ich bin froh darüber.«
»Es macht mir Angst, zu meinem Haus zu fahren.«
»Phury und Butch kommen mit. Du hast ausreichend Schutz.«
»Das weiß ich …« Sie ließ den Pulli sinken. »Es ist nur … was, wenn ich es nicht ertrage, reinzugehen?«
»Dann versuchen wir es einfach in ein paar Tagen noch mal. Sooft du willst.« Er hielt ihr den Parka hin.
Beim Hineinschlüpfen meinte sie: »Du hast doch bestimmt Besseres zu tun, als auf mich aufzupassen.«
»Im Augenblick nicht. Gib mir deine Hand.«
Mit zitternden Fingern streckte sie den Arm aus. Das war das erste Mal, dass er sie darum gebeten hatte, ihn zu berühren, und sie hatte die vage Hoffnung, das würde zu einer Umarmung führen.
Aber er hatte kein Interesse an Zärtlichkeiten. Er legte ihr nur eine kleine Pistole in die Hand, ohne ihre Haut dabei zu streifen.
Widerwillig schrak sie zurück. »Nein, ich …«
»Du musst sie …«
»Moment mal, ich …«
»… so halten.« Er drückte ihr den kleinen Kolben in die Handfläche. »Hier ist die Sicherung. An. Aus. Verstanden? An … aus. Um hiermit jemanden zu töten, musst du sehr nah dran sein, aber sie ist mit zwei Kugeln geladen, die einen Lesser immerhin so weit abbremsen werden, dass du entkommen kannst. Du musst einfach nur zielen und zweimal abdrücken. Du musst keinen Hahn spannen oder so was. Und am besten immer auf den Rumpf zielen, den kannst du nicht so leicht verfehlen. «
»Ich will das nicht.«
»Und ich will nicht, dass du so etwas brauchst. Aber es ist besser, als dich ins Licht zu schicken.«
Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Wie hässlich das Leben manchmal doch sein konnte.
»Bella? Bella, sieh mich an.« Als sie gehorchte, sagte er: »Bewahr das Ding in der rechten Außentasche deiner Jacke auf. Wenn du es benutzen musst, soll es gleich griffbereit in der richtigen Hand liegen.« Sie öffnete den Mund, doch er ließ sie gar nicht zu Wort kommen. »Du bleibst bei Butch und Phury. Und solange du bei
ihnen bist, ist es extrem unwahrscheinlich, dass du die Knarre brauchst.«
»Wo wirst du sein?«
»Nicht weit entfernt.« Als er sich abwandte, fiel ihr auf, dass er ein Messer hinten im Hosenbund stecken hatte – zusätzlich zu den beiden Dolchen über der Brust und den zwei Pistolen auf der Hüfte. Sie fragte sich, wie viele weitere Waffen er wohl am Leib trug, die sie nicht sehen konnte.
In der Tür blieb er mit hängendem Kopf stehen. »Ich werde dafür sorgen, dass du diese Pistole nicht ziehen musst, Bella. Das verspreche ich dir. Aber ich kann dich nicht unbewaffnet gehen lassen.«
Sie atmete tief durch. Und ließ das kleine Stück Metall in die Jackentasche gleiten.
Draußen im Flur wartete schon Phury, an die Balustrade gelehnt. Auch er war für den Kampf gerüstet, trug Pistolen und Dolche überall an sich. Sein Körper strahlte eine tödliche
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