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Black Dagger 11 - Blutlinien

Black Dagger 11 - Blutlinien

Titel: Black Dagger 11 - Blutlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Ward
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war von einem weichen, die Augen beruhigenden Weiß.
    Diese Landschaft hier war das optische Äquivalent zu Fahrstuhlmusik.
    Über kurzgeschnittenes weißes Gras lief er um das Theater herum auf die diversen Tempel und Wohnquartiere zu. Rundherum wurde das Gelände von einem weißen Wald eingegrenzt, der jeden weiteren Ausblick abschnitt. Er fragte sich, was wohl jenseits davon lag. Wahrscheinlich nichts. Das Heiligtum hatte etwas von einem Architekturmodell oder einer Spielzeugeisenbahn; als würde man – sollte man bis zum Rand laufen – nur eine scharfe Kante vorfinden, die steil nach unten auf den Teppichboden eines Riesen abfiel.
    Er wusste nicht genau, wie er die Aufmerksamkeit der Directrix auf sich lenken sollte, hatte es aber gleichzeitig nicht allzu eilig damit. Um Zeit zu schinden, ging er zum Tempel des Primals und schloss die Flügeltüre mit seinem
Amulett auf. Durch das weiße Marmorfoyer lief er in den luftigen einzigen Raum des Tempels und betrachtete das Bettpodest mit seinen weißen Seidenlaken.
    Er dachte daran, wie Cormia ausgesehen hatte, als man sie hierher brachte: Nackt hatte man sie hier festgebunden, ein weißer Vorhang hatte von der Decke herabgehangen und sich um ihren Hals gebauscht, um ihr Gesicht zu verhüllen. Er hatte das Ding heruntergerissen und mit Entsetzen in ihre tränengefüllten, panischen Augen geblickt.
    Man hatte sie geknebelt.
    Jetzt hob er den Blick an die Decke, wo der Vorhang befestigt gewesen war. Zwei winzige Goldhaken ragten dort aus dem Marmor. Er wollte sie mit einem verfluchten Presslufthammer herausbrechen.
    Ihm fiel ein Gespräch wieder ein, das er mit Vishous geführt hatte, bevor dieser ganze Mist mit dem Primal losgegangen war. Sie beide waren im Speisezimmer des Anwesens gewesen, und Vishous hatte etwas von einer Vision erzählt, die er von Phury gehabt hatte.
    Phury war nicht besonders scharf auf Details gewesen, aber er hatte sie trotzdem zu hören bekommen, und nun vernahm er die Worte seines Bruders seltsam deutlich im Kopf, wie eine abgespielte Aufzeichnung: Ich sah dich an einer Kreuzung auf einem Feld aus reinem Weiß stehen. Es war ein stürmischer Tag … genau, ein großer Sturm. Aber als du eine Wolke vom Himmel geholt hast und sie um den Brunnen wickeltest, versiegte der Regen.«
    Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Phury die beiden Haken in der Decke. Er hatte den Vorhang heruntergerissen und Cormia darin eingewickelt. Und sie hatte aufgehört, zu weinen.
    Sie war der Brunnen … der Brunnen, den er anfüllen sollte. Sie war die Zukunft ihres Volkes, die Quelle neuer Brüder und neuer Auserwählter. Der Ursprung.

    Genau wie all ihre Schwestern.
    »Euer Gnaden.«
    Er drehte sich um. Im Eingang des Tempels stand die Directrix. Ihre lange weiße Robe streifte den Fußboden, ihr dunkles Haar trug sie hoch auf dem Kopf zum Knoten geschlungen. Mit ihrem ruhigen Lächeln und dem Frieden, den ihre Augen verströmten, hatte sie die glückselige Ausstrahlung der spirituell Erleuchteten.
    Er beneidete sie um ihre Gewissheit.
    Amalya verneigte sich vor ihm, ihr Körper wirkte schlank und anmutig in der üblichen Uniform der Auserwählten. »Ich bin erfreut, Euch zu sehen.«
    Er erwiderte die Verbeugung. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite.«
    »Ich danke Euch für diese Audienz.« Sie richtete sich auf, und es entstand eine Pause.
    Er beendete das Schweigen nicht.
    Als sie schließlich sprach, schien sie jedes Wort mit Bedacht zu wählen. »Ich dachte, Ihr wünscht vielleicht, einige der anderen Auserwählten zu treffen?«
    Was für eine Art von Treffen hatte sie wohl im Sinn, überlegte er.
    Ach, nur eine gepflegte Teestunde, schaltete sich der Zauberer ein. Mit Cunnilingus-Sandwichs und 69er-Gebäck und einer Handvoll von deinen Eiern.
    »Cormia macht sich sehr gut«, sagte er, um von dem großzügigen Angebot abzulenken.
    »Ich habe sie gestern gesehen.« Der Tonfall der Directrix war freundlich, aber neutral, als wäre sie anderer Meinung.
    »Ach ja?«
    Erneut verneigte sie sich tief. »Vergebt mir, Euer Gnaden. Es war der Jahrestag ihrer Geburt, und ich hatte die Aufgabe, ihr nach unseren Bräuchen eine Schriftrolle zu überbringen.
Als ich von Euch nichts hörte, ging ich zu ihr. Ich versuchte später am Tag noch einmal, Euch zu erreichen.«
    Gütige Jungfrau, Cormia hatte Geburtstag gehabt und kein Wort gesagt?
    Aber John hatte sie davon erzählt, nicht wahr. Deshalb hatte er ihr das Armband geschenkt.
    Phury hätte am liebsten geflucht.

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