Black Dagger 13 - Racheengel
den treuesten Witwer.
34
Als Ehlena nach Hause kam, setzte sie ein falsches Lächeln auf, schickte Lusie nach Hause und sah nach ihrem Vater, der »immense Fortschritte bei der Arbeit« machte. Doch sobald sie sich von ihm lösen konnte, verschwand sie in ihr Zimmer und ging online. Sie musste herausfinden, wie viel Geld sie hatten, und zwar bis auf den Penny genau. Und sie glaubte nicht, dass ihr das Ergebnis gefallen würde. Nachdem sie sich auf ihrem Bankkonto eingeloggt hatte, scrollte sie durch die Abbuchungen, die noch anstanden, und zählte zusammen, was in der ersten Woche des Monats fällig würde. Das Gute war, dass ihr Novembergehalt noch ausstand.
Auf ihrem Sparbuch lagen knapp unter elftausend.
Es gab nichts mehr, dass sie noch verkaufen konnte, und keinen Spielraum, um die monatlichen Ausgaben abzuspecken.
Lusie würde nicht mehr kommen können. Was nervig war, denn sie würde die Lücke mit einem anderen Patienten
füllen, und wenn Ehlena dann eine neue Anstellung fand, musste sie sich jemand anderes suchen.
Vorausgesetzt, sie fand eine andere Stelle. Ganz bestimmt nicht im Pflegesektor. Eine fristlose Kündigung machte sich nie gut auf dem Lebenslauf.
Warum hatte sie diese verdammten Tabletten gestohlen?
Ehlena saß da und starrte auf den Bildschirm und zählte die kleinen Zahlen wieder und wieder zusammen, bis sie vor ihren Augen verschwammen und nicht mehr zu fassen waren.
»Meine geliebte Tochter?«
Hastig klappte sie den Laptop zu, weil ihr Vater elektronische Geräte nicht gut vertrug, und setzte ein gefasstes Gesicht auf. »Ja? Ich meine: Ja?«
»Ich frage mich, ob du Vielleicht ein, zwei Absätze meiner Arbeit lesen würdest? Du scheinst angespannt, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass solcher Zeitvertreib den Geist beruhigt.« Er kam zu ihr und streckte ihr in galanter Weise den Arm ent gegen.
Ehlena stand auf, denn manchmal blieb einem nichts übrig, als sich von jemandem leiten zu lassen. Sie wollte nichts von dem Gefasel lesen, dass er zu Papier gebracht hatte. Ertrug es nicht, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Wünschte, sie könnte ihren Vater zurückhaben, und sei es nur für eine Stunde, damit sie mit ihm über den Schlamassel reden konnte, den sie ihnen beiden eingebrockt hatte.
»Das wäre schön«, sagte sie mit toter, eleganter Stimme.
Sie folgte ihm in sein Arbeitszimmer, half ihm in seinen Sessel und blickte auf die unordentlichen Stapel von Papier. Was für ein Chaos. Schwarze Ledermappen waren so vollgestopft, dass sie aus allen Nähten platzten. Übervolle Aktenordner. Spiralblöcke, aus denen seitlich Seiten wie die Zungen
von Hunden heraushingen. Und überall dazwischen einzelne weiße Blätter, als hätten sie versucht davonzufliegen und wären nicht sonderlich weit gekommen.
All das war sein Tagebuch, zumindest beteuerte er das. In Wirklichkeit war es nur haufenweise Unsinn, die Manifestation seiner geistigen Verwirrung.
»Hier. Setz dich, setz dich.« Ihr Vater räumte den Stuhl neben sich frei und schob Schreibblöcke zur Seite, die mit hellbraunen Gummis zusammengehalten wurden.
Sie setzte sich, legte die Hände auf die Knie und drückte fest zu, um nicht auszuflippen. Das Chaos in dem Raum erschien ihr wie ein rotierender Magnet, durch den sich ihre Gedanken und Sorgen nur noch schneller drehten, was sie jetzt absolut nicht brauchen konnte.
Ihr Vater sah sich im Büro um und lächelte entschuldigend. »So viel Mühe für einen vergleichsweise geringen Ertrag. Es ist fast wie Perlentauchen. Die Stunden, die ich hier hineingesteckt habe, die fielen Stunden, um mein Vorhaben zu erfüllen... «
Ehlena hörte kaum zu. Wenn sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte, wo sollten sie dann hingehen? Gab es etwas noch Billigeres, das sie nicht mit Ratten und knirschenden Kakerlaken teilen mussten? Wie würde ihr Vater einen Umgebungswechsel verkraften? Liebste Jungfrau der Schrift, in der Nacht, als er das anständige Haus angezündet hatte, in dem sie zur Miete wohnten, hatte sie geglaubt, sie wären ganz unten angelangt. Wie konnte man noch tiefer sinken?
Sie wusste, dass sie in Schwierigkeiten steckte, als ihre Sicht verschwamm.
Die Stimme ihres Vaters fuhr fort, trampelte über ihr angstvolles Schweigen hinweg. »Ich habe mich stets bemüht, meine Erkenntnisse gewissenhaft aufzuzeichnen... «
Ehlena hörte nicht viel mehr.
Sie konnte sich nicht dagegen wehren. Auf dem kleinen
Beistellstuhl, mit sinnlosem Geschwätz von ihrem Vater überschüttet,
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