Black Jail
eingeschüchtert, dass er bei dem Fluchtplan mitmachte. Aber Glass war überhaupt nicht eingeschüchtert. Nicht mehr.
Er hatte selbst einen Plan. Allein der Gedanke daran versetzte ihn in Hochstimmung. Fühlte sich an wie ein Kokain-Kick.
Caesar hatte Glass’ Leben schon viel zu lange beherrscht, und damit sollte bald Schluss sein.
DIENSTAG
Mit einem Schrei wachte Glass auf. Sein Finger fühlte sich an, als hätte ihn jemand bis auf den Knochen abgeraspelt und angezündet. Es pochte und brannte so entsetzlich, wie er es noch nie empfunden hatte. Er lag im Bett und fragte sich, in welche Hölle er gestürzt war.
Er warf die Decke zurück und hob die Hand. Sein rechter Zeigefinger war weg. Okay, der größte Teil davon. Am Knöchel hing ein Stumpf, darüber ein blutbefleckter Verband. Als der Schock nachgelassen hatte, versuchte er sich zu erinnern, was passiert war.
Er entsann sich, vom Hilton aus nach Hause gefahren zu sein. Das Letzte, was er noch wusste, war, dass er vor dem Haus vorgefahren war. Danach nichts mehr.
Er rief nach Lorna. Da sie nicht kam, rief er noch mal. Vielleicht war sie ausgegangen. Dann fiel ihm etwas ein. Sie hatte gepackt. Er erinnerte sich, ihren Koffer gesehen zu haben. Er dachte, sie hätte vielleicht gesagt, sie ginge mit Caitlin zu ihrer Mutter. Hatte sie ihn verlassen? Und danach? Hatte er etwa einen Eimer Pillen geschluckt und dann einen schrecklichen Unfall gehabt?
Seine Pistole lag auf dem Nachttisch. Vielleicht hatte Lorna sie ja gefunden und war sauer geworden, weil er sie nicht weggeschafft hatte, wie er es ihr versprochen hatte. Zwei Durchdrückpackungen Pillen lagen auch auf dem Nachttisch. Und ein handgeschriebener Zettel. War allerdings nicht Lornas Schrift. Da stand: Oxys. Starkes Schmerzmittel. Alle vier Stunden eine nehmen.
Die eine Packung war zur Hälfte leer. Mit der linken Hand drückte er eine weitere Pille heraus, bis sie durch die Folie kam, nahm sie zwischen die Zähne. Schluckte. Machte dasselbe noch mal.
Er starrte auf seine Hand, versuchte, durch Willenskraftden Finger wieder dahin zu zwingen, wo er hingehörte. Vielleicht stimmte ja mit seinen Augen was nicht. Er schaute auf seine andere Hand, und alle seine Finger waren da.
Er musste sich doch daran erinnern, wenn er seinen Finger verloren hatte, um Gottes willen. Er steckte die Hand wieder unter die Decke, damit er sie nicht sah, und versuchte zu erraten, wer den Zettel geschrieben haben konnte.
Als er aufstand, war er kein bisschen schlauer.
Auf dem Weg aus dem Schlafzimmer trat er gegen irgendwas. Ein Becher von Caitlin. Er bückte sich, um ihn aufzuheben. Roch saure Milch und etwas Fleischiges, sah rote Flecken auf dem Teppich. An den Wänden fielen ihm rosa Stellen auf, die sich gegen die Magnolien abhoben. Sah aus, als hätte er sich dort in den Finger geschnitten und versucht, die Sauerei wegzuputzen.
Er musste seinen Finger untersuchen, das Ausmaß des Schadens sehen.
Im Bad nahm er den Verband ab. Seine Hand zitterte. Er warf einen Blick auf den Stumpf, sah das verkohlte Fleisch, den durchschnittenen Knochen und erbrach sich ins Waschbecken. Nichts als schaumige Flüssigkeit und die beiden rosa-beigen Kapseln. Er kotzte weiter, bis er nichts mehr im Magen hatte. Trotzdem machte er weiter, erschauerte, als die Galle durch die Speiseröhre und aus seinem Mund quoll. Mit tränenden Augen nahm er die Pillen, drehte mit dem Handballen den Wasserhahn auf, ließ Wasser über die Pillen laufen und schluckte sie noch mal. Dann hielt er den Mund unter den Wasserstrahl und trank und spuckte, trank und spuckte.
Nach einer Weile ging er an den Medikamentenschrank, fand einen neuen Verband. Er brauchte mehr als das, aber für den Augenblick musste es genügen. Was er wirklich brauchte, war ärztliche Hilfe. Aber er wusste, was passieren würde, wenn er ins Krankenhaus gehen würde, ohnezu wissen, wie ihm der Finger abhandengekommen war. Sie würden ihn wegbringen und einschließen. Und dann würde er nicht mehr tun können, was er geplant hatte.
Der Verlust eines Fingers würde ihn nicht umbringen. Die Wunde war ausgebrannt. Er hatte Schmerzmittel. Die Oxys hatten angefangen zu wirken, und der Schmerz war erträglich.
Er hatte sogar erwogen zu duschen, aber bei dem Gedanken wurde ihm wieder schlecht. Als er an der Wanne vorbeischlurfte, fiel ihm auf, dass Lorna den Vorhang zugezogen gelassen hatte. Das sah ihr gar nicht ähnlich, aber ihn störte es nicht, und so ließ er ihn, wie er war. Beim
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