Black Jail
der anderen Caitlin, die zu ihnen ins Bett kroch und die Sohlen ihrer kleinen kalten Füße gegen seine Schienbeine drückte und sich über die Haare darauf beklagte.
Aber er war in einem Hotelzimmer und sah Mafia zu, der mit seiner Pistole spielte.
»Kannst du die nicht mal in Ruhe lassen?«, fragte ihn Glass. »Du machst mich total nervös.«
Mafia seufzte. Trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch.
Glass musste mit ihm reden. Konnte es nicht zurückhalten. Es gab Sachen, die er wissen musste. »Was passiert jetzt?«, fragte er.
Mafia wandte den Kopf von ihm ab. »Hab ’nen Arzt gerufen. ’n Auto besorgt.«
»Nein«, sagte Glass. »Mit uns. Jetzt. Bin ich jetzt ’ne Geisel? Ich weiß nicht, ob das hier echt ist oder nicht.«
Mafia fragte: »Tut dein Arm weh?«
»Nicht richtig schlimm, aber ja, ich spür ihn.«
»Dann ist es echt. Schmerzen sind echt. Vielleicht als Einziges.«
»Aber du hast dich nicht verändert, oder? Du bist doch immer noch derselbe Mensch, den ich drinnen gekannt hab?«
»Wir verändern uns ständig, wir alle. Wir sind ein anderer Mensch als der Mensch, der wir noch vor ein paar Sekunden waren.«
»Ich glaub nicht, dass sich Menschen sehr verändern.«
»Hängt davon ab, was mit ihnen passiert.«
»Soll das heißen, ich bin ’ne Geisel?«
Mafia gab keine Antwort.
»Du würdest mich nicht erschießen. Im Hilton vorhin hast du Darko die Kanone gegeben.«
»Aus rein praktischen Gründen. Ich kann nicht sehen, weißt du noch?«
»Aber wenn du könntest, hättest du sie nicht benutzt.«
»Wir sind aus unsrer Zelle geflüchtet. Mit ’nem Gefängnisbeamten. Wer weiß, was ich gemacht hätte, wenn ich die Kanone gehabt hätte.«
»Und was, wenn ich jetzt gehe?«
»Dann wirst du höchstwahrscheinlich sterben.« Mafiaschaute zu ihm herüber. »Ich brauch dich gar nicht abzuknallen.«
»Scheiße«, sagte Glass. »Ich versuch’s doch nur zu verstehen.« Er atmete aus. »Ich kapier nicht, wieso Darko mich angeschossen hat.«
»Das tut mir leid.«
»Ich will keine Entschuldigung. Ich hätte nur gern ’ne Erklärung.«
»Nein, tut mir leid, dass du’s nicht kapierst.« Mafia nahm die Brille ab, rieb sich, eins nach dem anderen, mit den Handballen die Augen. »Schien in dem Augenblick das Richtige zu sein. Den Wichsern zeigen, dass wir’s ernst meinen.«
»Und der Preis war dir egal?«
»Welcher Preis?«
»Für mich, Mafia. Dass er mich hätte umbringen können.«
Er setzte die Sonnenbrille wieder auf. »So ein schlechter Schütze ist er nicht.«
»Aber ich könnte sterben. Hast du selber gesagt.«
»Nur, wenn du abhaust. Ein Arzt ist unterwegs. Bleib hier, dann schaffst du’s.«
»Ein großer Trost ist das nicht.«
»Wenn du getröstet werden willst«, sagte Mafia, »dann redest du mit dem Falschen.«
Sie saßen stumm da und hörten dem Summen der Stromleitung zu.
»Du hast unrecht«, sagte Glass.
Mafia seufzte. »Womit?«
»Mit dem Mich-Trösten. Was du vorhin gesagt hast. Das bedeutet mir ’ne Menge.«
»Hältst du irgendwann mal die Schnauze?«, sagte Mafia.
»Ich mein ja nur. Als du gesagt hast, ich wär dein Freund.«
»Glass«, sagte Mafia. »Ich bin so scheißfreundlich, ichwürd dir sogar einen blasen, nur damit du aufhörst, so sentimental daherzulabern. Und wenn du nicht endlich das Maul hältst, verpass ich dir wirklich ’ne Kugel.«
Glass hielt das Maul.
Er hielt eine ganze Weile das Maul. Genau genommen redeten sie kein Wort mehr, bis Mad Will kam.
Als sie das Auto vorfahren hörten, hob Glass den Kopf und hielt ihn oben, so gut er konnte. Erwartete halb, dass Mafia zum Fenster gehen und durch einen Spalt im Vorhang hinausschauen würde. Dann fiel ihm ein, dass Mafia ja gar nicht sehen konnte.
»Schaffst du’s bis zur Tür?«, fragte Glass.
»Herrgott«, sagte Mafia. »Ich bin ja nicht blind, verdammte Scheiße.« Er griff nach der Pistole, setzte sich in Richtung Tür in Bewegung, blieb nach zwei Schritten stehen. »Irgendwas auf dem Boden?«, fragte er.
»Der Weg ist frei.«
Gerade als er an die Tür gelangt war, klopfte es. Er tastete nach der Klinke, fand sie, öffnete die Tür einen Spalt. »Ja?«
»Lange nicht gesehen.«
»Was du nicht sagst.« Mafia öffnete die Tür. »Wie geht’s?«
Und in diesem Augenblick sah Glass Mad Will und dachte für einen Moment, dass seine Schusswunde doch schlimmer war, als er gedacht hatte, dass er vom Blutverlust und den Drogen Halluzinationen hatte. Aber nein, es waren nicht nur das
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