Black Mandel
ziemlich scheiße in dem Fandorf-Hostel, sagte ich.
Fantoft, berichtigte mich Vilde und sagte, es tue ihr leid. Sie lächelte dabei so entschuldigend, als wollte sie uns zum Trost eine Reise in die Karibik schenken. Der Mandel lächelte mit, was komisch war, weil er ja noch viel weniger dafür konnte.
Was der Mandel und ich beruflich machen, wollte Vilde wissen, und bevor mich der mahnende Blick vom Mandel erreichen konnte, sagte ich:
»We are private detectives.«
»Private investigators«, korrigierte der Mandel.
»I don’t understand«, sagte Vilde.
Ab hier übersetze ich das Englischgesprochene, weil die halbe Geschichte auf Englisch stattfand. Denn man überschätzt in Akademikerkreisen immer, wie viele Leute bei uns gut Englisch können. Ich habe keine Zahlen, aber so viele, wie man denkt, sind es am Ende überhaupt nicht.
»Mein Onkel Hans war Detektiv, bevor er gestorben ist, und er hat mir sein Büro vererbt. Dann hab ich meinen Job als Musikjournalist aufgegeben, um mir den Jugendtraum zu erfüllen, ein eigenes Detektivbüro zu haben«, sagte der Mandel.
Ich wartete noch auf die Stelle der Geschichte, wo der Mandel erwähnte, dass wir beide beim Rock’n’Roll Express rausgeflogen waren und ich die Idee hatte, das heruntergekommene Büro vom Hans Mandel als Detektivbüro unter Einsatz der neuesten Internet-Recherche-Methoden weiterzuführen. Sie kam nicht.
Vilde war auch so begeistert. Wir sollten ihr unbedingt unseren bisher spannendsten Fall schildern.
»Einen bekannten deutschen Sänger haben sie in der Mitte auseinandergehackt, und wir mussten seine verschollenen letzten Aufnahmen suchen. Die Polizei, die Neonazis und die Plattenfirma waren hinter uns her«, sagte ich, weil es immer wahnsinnig spannend klingt, wenn jemand hinter einem her ist. Da versetzt einen der Satz allein schon in Aufregung.
»Und habt ihr die Aufnahmen gefunden?«, fragte Vilde.
»Natürlich haben wir sie gefunden. Sie waren totale Scheiße«, sagte ich.
»Und wer war der Mörder?«, fragte Vilde weiter.
»Das weiß man bis heute nicht genau. Wir glauben allerdings, es war … «, sagte ich, bis mich der Mandel unterbrach.
»Betriebsgeheimnis«, sagte er wichtig.
Company secret.
Der Mandel bestellte noch mal drei Kümmel, nicht ohne zwischendrin wie eine Maschine auf Vilde einzulächeln. Ich wusste gar nicht, dass er so lange am Stück lächeln konnte. Mir war eh schon schwindlig, und nach einem weiteren Aquavit legte ich meinen Kopf auf den Tresen, um ein paar Sekunden auszuruhen.
Vilde war hingerissen von der Geschichte und wollte trotz Betriebsgeheimnis noch viel mehr wissen. Der Mandel sonnte sich im Rampenlicht unseres ersten und bislang einzigen großen Falls und hatte seine Hand auf dem unteren Rücken von Vilde, knapp über dem Rocksaum, abgelegt.
Ihr Bruder sei auch Musiker, sagte Vilde. Cool, sagte der Mandel, ohne zu fragen, in welcher Band. Das hatte er sich angewöhnt, weil er sich dadurch die unangenehme Situation ersparte, dass, wenn das Gegenüber den Namen der Band nannte, kein Mensch auf der Welt je von ihr gehört hatte. Und wer kannte heutzutage nicht jemanden, der in einer Band spielte, die niemand kannte.
»Sollen wir nicht langsam zum Konzert?«, fragte ich, immerhin war es vermutlich längst nach acht, und ich hätte in meinem Artikel auch gerne ein Wort über den Anfang des Konzerts verloren, wenn wir schon die Vorgruppen verpassten.
In welcher Band denn ihr Bruder spiele, wollte der Mandel von Vilde jetzt wissen. Ich hörte wohl nicht recht, jetzt fragte er also doch nach. Was war denn mit dem los? Vildes Pausbacken bliesen sich noch ein bisschen mehr auf, dann ließ sie die Luft raus.
»Betriebsgeheimnis«, lachte sie, und was war schon gegen die Geheimniskrämerei einer schönen Frau einzuwenden. Ich hätte mich jedenfalls auf der Stelle verliebt, hätte die Geheimniskrämerei mir gegolten, aber die beiden hatten schon eine Art Flirt-Bannkreis um sich gezogen, der nicht mehr zu durchbrechen war. Ich schaute zu dem Mädchentisch, von dem Vilde gekommen war, aber die anderen waren schon weg.
»Ich geh mal schnell aufs Klo«, sagte ich, aber keiner hörte mir zu. Auf dem Klo wurde mir so schwindlig, dass ich mich eine Viertelstunde auf die geschlossene Klobrille setzte und wartete, bis es mir besser ging. An der Kabinentür hing ein fotokopiertes DIN -A3-Plakat. Auf ihm stand Utgang als handgezeichnetes Logo, das in der Krone eines verdorrten Baums angebracht war. Am Stamm des
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