Black Monday
sind.«
»Haben Sie ein Foto von ihr?«
»Sie ist kleiner, als sie auf dem Bild hier aussieht. Sie wird eine rote Skimütze und eine rote Skijacke tragen. Lassen Sie sich ihren Ausweis zeigen und geben Sie den Rucksack nur ihr persönlich.«
»Sie sind ein guter Bruder«, sagt Gerard.
Rinker versetzt ihm einen harten Stoß in die Rippen. »In dem Rucksack befindet sich außerdem eine Walther-9-mm, ein Rückstoßlader, dazu ein Magazin mit sechzehn Patronen. Aber suchen Sie lieber erst danach, wenn Sie aus Hartford raus sind. Können Sie mit einer Pistole umgehen?«
»Ja.«
»Vergessen Sie nicht, Dr. Greg Gerard aus der Marion Street: Wenn Sie gelogen haben, werde ich's rausfinden. Und dann hefte ich mich an Ihre Fersen. Meine Schwester ist alles, was ich an Familie habe. Und übrigens, Sie können sich auch was von den Lebensmitteln nehmen, als Provision sozusagen.«
»Ich möchte was anderes als Provision.«
Rinker kneift die Augen zusammen. »Sie sind ganz schön penetrant.«
»Ich möchte ein Paar Langlaufskier und Schuhe. Falls in Washington Schnee liegt, werde ich die vielleicht brauchen, um nach Hause zu gelangen.«
Rinker nickt. »Suchen Sie sich was aus. Haben Sie Hunger?«
»Natürlich.«
»Ich hab ein Roastbeefsandwich für Sie eingepackt.«
Mit Hilfe der Bürgerwehraufkleber – und noch einer Flasche Whisky – schaffen sie es vorbei an der Kontrollstelle in die Zone A von Hartford. Die Schneemobile fahren in die Innenstadt, die schon vor der Delta-3-Katastrophe ziemlich heruntergekommen gewesen sein muss. Desolate Straßen wechseln sich mit welchen ab, in denen man die versuchte Wiederbelebung durch Totalsanierung erkennt.
Als sie den Amtrak-Terminal des Bahnhofs erreichen, bleibt Gerard wie vom Donner gerührt stehen. Es ist eine Szene wie in der russischen Revolution. Berittene Soldaten versperren den Eingang wie Kosaken. Eine lärmende Menge wirft sich gegen die Absperrlinie, alle versuchen, in den Bahnhof zu gelangen.
»Okay, Sie Maulheld«, sagt Rinker. »Zeigen Sie, was Sie können.«
»Verlassen Sie das Bahnhofsgelände, wenn Sie keine Fahrkarte haben!«, ruft eine Stimme über Lautsprecher. »Im Zug ist nicht genug Platz für alle!«
Der schrille Ton einer Zugsirene zerreißt die Luft und versetzt die Menge in Aufruhr.
Gerard steigt vom Schneemobil, den Rucksack auf dem Rücken, die Skier in einer Hand, die Skischuhe an den Schnürsenkeln um den Hals. Zu normalen Zeiten würde er aussehen wie ein Urlauber.
»Lassen … Sie … mich … durch!« Er schiebt sich durch die Menge.
Auf einem erhöhten Gleisbett rollt der Zug unter der elektrischen Oberleitung ein. Er fährt so langsam wie der Neu-Delhi-Express. In der warmen Luft, die von der Lok aufsteigt, sind die Soldaten auf dem Dach nur noch verzerrt zu erkennen. Weitere Soldaten sitzen auf dem vorgebauten Kuhfänger und behalten die unmittelbare Umgebung der Schienen im Auge. Wahrscheinlich stürmen dort oben bereits alle möglichen wichtigen Leute auf den Bahnsteig und versuchen, sich einen Platz zu sichern.
Der Bahnhof scheint noch meilenweit entfernt zu sein.
Mit hochgehaltenem Dienstausweis kämpft sich Gerard zu den Pferden durch. Die Reiter tragen Helme mit getönten Visieren, halten lange Stöcke in der Hand, an denen Viehschocker befestigt sind, und drängen mit den drohend aufstampfenden Pferden die Menge zurück.
»Scheißnazis!«, schreit einer.
»Das ist ja schlimmer als in Saigon!«
Gerard riecht die Pferde, sieht dampfende Flanken. Beinahe wird ihm sein Ausweis aus der Hand geschlagen. Wieder ertönt die Zugsirene, und im selben Augenblick reißt ein Mann Gerard die Skier aus der Hand. Es gelingt ihm, sie wieder an sich zu bringen, doch dabei gerät er aus dem Tritt und wird von der Menge in die Richtung zurückgerissen, aus der er gekommen ist. Er spürt, wie sich jemand an seinem Rucksack zu schaffen macht. Hoch über ihnen hält der Zug, nur die hinteren Waggons sind zu sehen. Wahrscheinlich steigen jetzt die ersten Leute ein. Gerard fährt herum und sieht eine breitgesichtige Frau mit Pelzmütze, die an seinem Rucksack zieht, und einen dünnen Mann, der dabei ist, die Riemen zu lösen. Gerard verpasst der Frau einen Tritt mit dem Knie und sieht, wie sie mit offenem Mund zu Boden geht. Der Mann zerkratzt ihm das Gesicht.
Ich schaffs nicht.
Gerard schubst den Mann weg, aber plötzlich sind zwei andere Männer da, die ihn wütend umdrehen.
»Hey! Lasst den Mann in Ruhe! Bürgerwehr!«
Es ist Rinker
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