Black Monday
La-la-la-la-laaaa! Du bist nicht mein Bruder. Du bist irgendein fremder Junge, der noch gemeiner ist als Teddie Dubbs!
Pastor Young flucht leise vor sich hin, als er hört, wie zwei Erwachsene die Treppe herunterkommen. Er tut so, als würde er sich die Schuhe zubinden. Nachdem die beiden vorbeigegangen sind, legt er wieder das Ohr an die Tür. Der Junge sagt gerade: »Dann komme ich eben mit dir, aber nur, wenn wir zusammenbleiben … nur, wenn du schwörst, dass wir vor der Dunkelheit wieder zurück sind.«
»Ach, Paulo, du bist ein Schatz!«
Die Tür geht auf und Young tritt einen Schritt zurück. Die Kinder starren ihn entsetzt an. Bestimmt fürchten sie, dass er gelauscht hat, dass er ihrer Mutter – oder irgendeinem anderen Erwachsenen – erzählen könnte, was sie vorhaben.
»Ich hab mich verlaufen«, sagt Young hastig. »Ich kann die Küche nicht finden.«
»Ich zeige Ihnen den Weg, Pastor«, antwortet Paulo. Er spricht schnell, versucht, die Situation unter Kontrolle zu bekommen, den Geistlichen abzulenken und sich und seine Schwester vor Strafe zu bewahren.
Während er Young die Treppe hochführt, dreht er sich um und wirft seiner Schwester bedeutungsvolle Blicke zu. Young schließt daraus, dass die beiden vorhaben, möglichst bald die Kirche zu verlassen.
Das Handy des Jungen klingelt. Wohlerzogen und höflich sagt Paulo: »Entschuldigen Sie«, bevor er das Gespräch annimmt.
»Dad!«, ruft er erfreut aus.
Pastor Young macht sich bereit. Sie sind allein im Treppenhaus. Das Mädchen ist losgegangen, um sich für den Ausflug warm anzuziehen.
Der Junge sagt: »Mom hat mir ihr Handy gegeben. Ich hab vergessen, es ihr zurückzugeben. – Wirklich? Aber wir haben hier gerade einen schlimmen Schneesturm. Wie willst du denn vom Bahnhof nach Hause kommen?«
Pastor Young wird es plötzlich ganz warm ums Herz. »Das Glück«, so hat sein Mentor gesagt, »dient dem Willen Gottes.«
Der Junge drückt das Gespräch weg. Eben noch wirkte er besorgt, doch jetzt strahlt er.
»Mein Vater kommt nach Hause«, prahlt er.
»Das ist ja großartig!« Youngs Gesicht tut schon weh von dem vielen Lächeln.
»Er kommt mit dem Zug aus Connecticut. Er arbeitet für die Regierung. Er war wegen einer ganz wichtigen Sache unterwegs!«
»Du scheinst große Stücke auf ihn zu halten.«
»Er ist ein Held!«
»Und wenn er weg ist, bist du der Mann im Haus, was? Das ist eine große Verantwortung.«
»Ja, ich kümmere mich um Mom und Annie.«
»Ich würde deinen Vater gern kennenlernen«, sagt Pastor Young. »Ein Mann, der einen so tüchtigen Jungen großgezogen hat, muss ein guter Vater sein.«
»Sie werden ihn mögen. Alle mögen ihn, außer Gordon Dubbs, und der ist ein Dieb. Hmm. Womit könnte ich Dad überraschen?«
»Uns wird schon was einfallen.«
Dann ertönt die Stimme des nervigen Chris Van Horne hinter ihm. »Ah, Pastor Young! Da sind Sie ja!«
»Hallo, Chris.«
Der alte Pfarrer strahlt, sein Gesicht ist gerötet, das Haar zerzaust, er steht da wie ein Idiot. Van Horne sagt: »Ich habe etwas ganz Besonderes für Sie. Unsere Leute wünschen sich, dass Sie heute Mittag die Predigt übernehmen. Ich muss gestehen, ich hätte nichts dagegen, mal eine kleine Pause einzulegen, mein neuer Freund.«
Schwachkopf!
»Ich fühle mich sehr geehrt, Chris, aber ich würde nicht im Traum daran denken, Ihren Platz einzunehmen. Sie sind hier der Pfarrer.«
»Ach was«, sagt Van Horne. »Heute sprechen wir über die Wüste, darüber, wie die Israeliten umherziehen und leiden mussten, bis sie endlich ihren Frieden gefunden hatten. Zu dem Thema wird Ihnen doch ganz bestimmt eine Menge einfallen.«
Sag Ja, denkt Pastor Young. Sag irgendwas, um diesen Idioten loszuwerden.
»Also gut. Selbstverständlich übernehme ich gern die Predigt.«
Ich werde mich einfach verdrücken und den beiden Kindern folgen, und nachher kann ich ihr Handy benutzen, um Gerard anzurufen.
Ein guter Plan.
Doch dann sagt der lästige Pfarrer zu Paulo: »Lassen wir Pastor Young einen Moment, um sich zu sammeln. In der Zwischenzeit suchen wir beide nach Annie, dann können wir während der Predigt nebeneinandersitzen, und danach veranstalten wir ein Bibel-Quiz! Das rote Team gegen das blaue! Wollen wir doch mal sehen, wie gut du die Bibel im Kopf hast, junger Mann.«
23. KAPITEL
11. Dezember. 11 Uhr. 44 Tage nach dem Ausbruch.
Die Neuigkeiten werden schlechter, je weiter der Zug nach Süden vordringt. Sobald es ein Netz gibt, klingeln überall
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