Black Rabbit Summer
doch fragte, warum ich mich dort herumtrieb, war davon nicht viel zu merken. Ab und zu schaute mal jemand hoch und warf mir einen neugierigen Blick zu, das war schon alles.
Der Platz wirkte viel kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte, und ich brauchte nicht lange, bis ich einmal herum war und alles in mich aufgenommen hatte. Sämtliche Dixi-Klos waren weg und das meiste an Abfall ringsum war bereits zusammengekehrt und abtransportiert. Auch das Zelt der Wahrsagerin war nicht mehr da. Es gab keine Krake mehr, keinen Autoscooter, keine Kinderkarussells. Und dort, wo gestern das altmodische Karussell gewesen war, das ich gesehen |183| hatte oder doch zumindest zu sehen
geglaubt
hatte, war überhaupt nichts. Kein Flecken vergilbtes Gras. Keine Stelle ohne Müll. Kein Zeichen, dass dort je etwas gewesen war.
Ich denke, ich hätte verwirrt sein müssen. Oder zumindest ein wenig irritiert. Aber wie ich dort am Eingang zur Kirmes stand und zu der leeren Stelle hinüberschaute, wo ich Raymond auf dem pferdgroßen schwarzen Kaninchen zu sehen geglaubt hatte, wirkte alles derart gewöhnlich und trist, dass es schwer war, bei diesem Anblick überhaupt irgendwas zu empfinden. Nicht einmal als ich den Polizeihubschrauber sah, der allein auf dem Freizeitgelände stand, und den Einsatzwagen hinten am Tor, löste das bei mir irgendwas aus... Die zwei Uniformierten aus dem Polizeiwagen schlenderten auf dem Kirmesplatz herum, blieben ab und zu stehen und sprachen mit einigen Kirmesarbeitern, doch sie schienen es nicht sehr eilig zu haben. Und die beiden Gestalten im Innern des Hubschraubers saßen bloß da und taten überhaupt nichts.
Ich schaute hinüber zu dem Bereich, wo die Kirmesfahrzeuge und Wohnwagen standen, und überlegte, ob ich hinübergehen und nach der Wahrsagerin suchen sollte. Rational gesehen war es sinnlos, die reine Zeitverschwendung. So viel sie auch über Raymond gewusst zu haben schien, mir war völlig klar, dass das Ganze bloß eine Täuschung war. Worte, Gedankenspiele, Tricksereien... wie immer man es nennen will. Es ist einfach unmöglich, Dinge zu wissen, die noch gar nicht geschehen sind.
»Entschuldigung.«
Die Stimme kam von hinten, und als ich mich umschaute, sah ich einen der Polizisten in Uniform auf mich zukommen.
»Arbeitest du hier?«
»Wie bitte?«
|184| »Gehörst du zur Kirmes?«
»Nein...«
Er blieb vor mir stehen und wischte sich den Schweiß von den Augenbrauen. »Darf ich wissen, was du hier machst?«
»Ich mach gar nichts«, sagte ich. »Ich hab nur... keine Ahnung. Ich hab mich nur ein bisschen umgeschaut...«
»Nur ein bisschen umgeschaut?«
»Ja...«
Er sah mich an. »Wie heißt du denn, Junge?«
»Pete Boland.«
»Boland?«
»Ja.«
»Wo wohnst du, Pete?«
»Hythe Street.«
»Hausnummer?«
»Zehn.«
Er nickte. »Warst du letzte Nacht auch hier?«
»Sie meinen, auf der Kirmes?«
»Ja, auf der Kirmes.«
»Ja... ja, war ich.«
»Um wie viel Uhr bist du gekommen?«
»Gegen halb elf, glaub ich.«
»Und wann bist du wieder gegangen?«
Ich zuckte die Schultern. »So gegen Mitternacht.«
Er nickte wieder. »Und du bist heute Morgen nur hergekommen, um dich noch mal auf der Kirmes umzuschauen ... ist das richtig?«
»Ja... also, nein... ich meine, ich hatte nicht wirklich
vor
, hierherzugehen. Eigentlich wollte ich Freunde in der Recreation Road besuchen, aber sie waren nicht zu Hause, deshalb bin ich bis hierher weitergelaufen und hab ein bisschen rumgeguckt, |185| Sie wissen schon... um die Zeit totzuschlagen.«
»Verstehe. Und jetzt gehst du wieder zurück zum Haus deiner Freunde?«
»Ja.«
»In der Recreation Road.«
»Genau.«
Er lächelte mich an. »Dann ab mit dir.«
Als ich mich umwandte und losging, spürte ich, wie er mir nachsah, und ich fragte mich, warum ich ihm nichts von Raymond gesagt und wieso ich ihn nicht gefragt hatte, was denn hier los war...
Verdammt, warum verhielt ich mich bloß so
jämmerlich
? Ich schaute nicht zurück, um zu sehen, ob mich der Polizist noch beobachtete. Selbst als ich das Parktor erreicht hatte, war ich noch so paranoid, dass ich keinen Blick zurück riskierte, bis ich hinter dem Tor nach links abgebogen und ein paar Schritte in Richtung Recreation Road gegangen war, nur für den Fall, dass er mich
tatsächlich
beobachtete. Aber es war nicht so. Ich konnte ihn nirgends entdecken. Ich schaute noch einmal, nur um ganz sicher zu sein, dann drehte ich mich schnell um und lief in die andere Richtung, zum
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