Black Rabbit Summer
wie es in meinem Herzen vor sich hinstampfte – die kreischenden Menschen, die heulenden Sirenen, alles drehte sich... wirbelnde Räder, Sterne und Raumschiffe, Tausende Gesichter, Millionen dröhnende Stimmen wirbelten durch die Luft –
AUF GEHT’S! MACHEN SIE MIT! JEDER GEWINNT!... DAS IST DER WA-A-A-A-HNSINN!
–, die Lichter brannten mir in den Augen... der Lärm der Fahrgeschäfte, die überall um mich herum kreis ten –
TERMINATOR! METEOR! TWISTER! FUN HOUSE!
– und ihren Wahnsinn in die Nacht hinausschleuderten ...
Der Film lief weiter.
Anfangs war es schwer, Stella zu erkennen. Da waren so viele Menschen – sie schoben und drängten, lachten und kreischten – und die Kamera schwenkte mit verwackelten Bildern über den Platz, ruckend und zoomend, mal scharf, mal verschwommen... doch dann plötzlich erschien eine Nahaufnahme von Stellas Gesicht, die Kamera fuhr zurück und sofort sah ich sie ziemlich deutlich. Wie sie herumwirbelte, lachte und winkte, umgeben von ihrem Gefolge und einer Menge neugieriger Zuschauer. Sie hatte den Arm um Raymonds Schulter gelegt und jetzt drückte sie ihn an sich, sprach mit ihm und sah ihn mit ihrem strahlend weißen Lächeln an.
Auch er lächelte.
Und ich war kurz davor loszuheulen.
Fast hätte ich in diesem Moment Barry gesagt, er solle das Band anhalten. Ich konnte es einfach nicht ertragen. Die Bilder von Raymond und Stella, ihr Lächeln, ihre Augen... es war, als würde ich Bilder von Toten betrachten.
|293| Ich weiß nicht, ob auch andere Leute dieses Gefühl kennen, wenn jemand gestorben ist und man sieht plötzlich sein Foto im Fernsehen oder in der Zeitung. Obwohl das Foto aufgenommen wurde, als die Person noch lebte,
weiß
man irgendwie, dass sie nicht mehr lebt. Genauso empfand ich es jetzt, als ich dasaß und Raymond und Stella auf dem Bildschirm betrachtete. Sie hatten einfach so etwas an sich – eine Leere, eine mangelnde Gegenwart... etwas, das fehlte. Etwas, das mir sagte, sie waren nicht mehr am Leben.
Mir war, als ob ich Geister sähe.
Und ich wollte keine Geister sehen.
Aber ich wusste, dass Barry das Band nicht anhalten würde, und selbst wenn ich die Augen schloss, würde ich immer noch alles hören können. Und es in dem Dunkel meines Kopfs zu hören würde das Ganze wahrscheinlich noch schlimmer machen. Deshalb sagte ich nichts und ich schloss auch nicht die Augen, sondern schluckte bloß meine Tränen runter und schaute weiter zu.
Die Bildschirm-Stella küsste jetzt Raymond... zog ihn an sich, drückte ihre leuchtend roten Lippen auf seine Wange. Doch sie sah ihn nicht an. Ihre Augen grinsten in die Kamera. Und als sie ihn wieder küsste und ihren Lippenstift überall in seinem Gesicht verschmierte, sah ich, dass die Leute ringsum kicherten. Es amüsierte sie, der Schönheit zuzuschauen, wie sie mit dem Biest spielte...
Ihn wie einen Hund vorführte.
Und Raymond war es recht – er lächelte Stella mit großen Augen begeistert an und grinste, während ihn alle anderen auslachten...
|294| Ich verstand es immer noch nicht.
Raymond war nicht dumm.
Er musste gewusst haben, was da gespielt wurde.
Ich schaute hin und atmete jetzt kaum mehr, während die Kamera von Raymond wegschwenkte und eine vertraute Gestalt einfing, die durch die Menge auf Stella zuschlappte, und als mein Gesicht zum ersten Mal sichtbar wurde und die zwei großen Bodyguards durchs Bild liefen, um mich abzudrängen, hörte ich Mum erschrocken Luft holen.
Ich sah sie nicht an.
Ich konnte es nicht.
Mein Blick klebte am Bildschirm.
Ich hörte mein Bildschirm-Ich rufen:
Raymond! Hey, Raymond!
, und obwohl die Kamera Raymonds Reaktion nicht einfing, erinnerte ich mich, wie er mich angegrinst und den Daumen in die Höhe gereckt hatte. Meine Stimme klang seltsam, als ob es die Stimme von jemand anderem wäre, und als die Kamera auf mich zoomte, merkte ich, dass ich nicht bloß seltsam
klang
, sondern auch ziemlich seltsam aussah. Meine Augen wirkten total durchgeknallt, zwei schwarze Murmeln, die sich kaum regten. Ich schwitzte, ich war bleich, die Muskeln waren angespannt. Und ich verstand jetzt, warum die Bodyguards wegen mir so alarmiert gewesen waren. Ich sah aus, als käme ich geradewegs aus der Hölle.
Alles okay
, hörte ich mich ihnen erklären.
Ich bin ein Freund.
Zurück.
Ich will nur –
ZURÜCK
.
Einer von ihnen legte mir seine Hand auf die Schulter und versuchte mich wegzudrängen und dann ertönte Stellas |295| Stimme.
Ist gut, Tony! Er ist ein
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