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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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auffangen? Aber wie denn?« Ihr Fleisch löste sich jetzt schnell auf, die Flüssigkeit sammelte sich in einer Vertiefung des Felsens und sickerte auf eine dem Meer zugewandte Spalte zu. Wenn sie sich mit dem Salzwasser der Bucht vermischte, würde sie für alle Zeiten verloren sein. Ich sah mich panisch um und entdeckte eine Plastikflasche,
die sich zwischen den Steinen verkeilt hatte. Schnell reckte ich mich danach. Es war eine halbvolle und noch zugeschraubte Mineralwasserflasche. Sicherlich der Schrecken aller Umweltaktivisten, aber ich war unglaublich froh über ihren Anblick. Das Wasser darin kippte ich aus und achtete sorgfältig darauf, auch die letzten Tropfen abzuschütteln. Immerhin ist es Quellwasser, dachte ich, als ich den Felsen zur Seeseite hinunterkletterte. Dort klemmte ich die Flasche unter die Spalte.
    »Es ist okay«, sagte ich dann. »Ich werde dich auffangen. Du kannst …« Ich suchte nach dem richtigen Wort. Ein Begriff trieb in meine Erinnerung, den ich in einem Vorbereitungsbuch für den College-Zulassungstest gelesen hatte, Deliqueszenz , aber ich sprach ihn nicht aus. »Du kannst loslassen«, sagte ich. »Ich fange dich auf.«
     
    Nachdem ich die Flasche wieder zugeschraubt hatte, die nun die Überreste Melusines enthielt, Tochter von Elinas und Pressina, Königin von Columbiers und Poitou, Banshee von Lusignan, stand ich auf und sah mich um. Ich befand mich auf einer Felsnase, die sich nicht allzu weit von einem gepflasterten Fußweg entfernt in die Flussmündung schob. Dahinter ragten hohe Gebäude auf, die sich schwarz vor der Skyline Manhattans abhoben. Ich war einmal bei einem Schulausflug auf Governors Island gewesen und wusste, dass sich hier zwar einmal ein Militärstützpunkt befunden hatte, die Insel aber heute ein Naturschutzgebiet war. Die Gebäude waren verlassen, und das war auch gut so, denn ich war splitterfasernackt.
    Allerdings gab es vermutlich einen Wachdienst, der über die Insel patrouillierte. Irgendwann würde jemand
hier vorbeikommen und mich entdecken. Und dann würde ich irgendeinen Grund dafür nennen müssen, wieso ich nackt auf Governors Island saß, zumal die Insel über den Winter für Besucher geschlossen war. Man würde mich für eine gescheiterte Selbstmörderin, eine Verrückte oder für beides halten. Vermutlich steckte man mich dann sofort in die Psychiatrie im Bellevue.
    Und dann würde ich keine Möglichkeit mehr haben, John Dee aufzuhalten.
    Genau das hatte er sicher auch damit bezweckt, als er mich und Melusine aus seinem Versteck gespült hatte, nachdem er merkte, dass ich ihm seine Unschuldsbeteuerungen nicht abkaufte. Und das hatte ich nicht, oder doch?
    Ich schüttelte den Gedanken ab. Für Zweifel hatte ich keine Zeit. Irgendwie musste ich von dieser Insel herunterkommen, ohne auf der nächsten Polizeiwache oder einer geschlossenen Abteilung zu landen.
    Ich stieg über die Felsen höher an Land, hielt mich dann inländig und umklammerte die Wasserflasche mit Melusines Überresten. Auf der anderen Seite des gepflasterten Wegs befand sich eine Rasenfläche, die zu einem Backsteinhaus hinaufführte. Das Gras fühlte sich nach den nassen Felsen unter meinen Füßen gut an, aber ich fror immer noch. Wenn ich nicht bald eine Möglichkeit fand, um mich aufzuwärmen, würde ich völlig auskühlen. Konnte ich in eines der Häuser einbrechen? Vielleicht gab es dort noch ein paar alte Vorhänge, in die ich mich würde wickeln können? Unwillkürlich kam mir ein Sketch der Komikerin Carol Burnett in den Sinn, den Jay mir auf YouTube gezeigt hatte: In einer Parodie von Vom Winde
verweht bastelt sich Burnett als Scarlett O’Hara ein Kleid aus Samtvorhängen und lässt dabei die Vorhangstange über den Schultern drin. Lachen stieg in meinem schmerzenden Bauch auf, so unerwartet wie alles andere, was mir bisher passiert war, und seltsam unwiderstehlich. Ich ging lachend im Schatten einer hoch aufragenden Kiefer auf dem Rasen in die Knie. Jay fände es herrlich, dass ich jetzt gerade über diesen Sketch lachen musste. Doch als ich an ihn dachte, fiel mir wieder ein, dass Dee ihn als sensibel bezeichnet hatte, sogar als selbstmordgefährdet. Log er? Oder war Jay wirklich in Gefahr und wollte sich etwas antun?
    Ich schüttelte den Kopf, und kalte Wassertropfen spritzten auf meine Schultern. Es hatte keinen Sinn, jetzt darüber nachzudenken. Zitternd zog ich die Knie an den Leib und schlang die Arme darum, in der Hoffnung, meine Zähne würden aufhören zu

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