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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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berührte das Symbol, und die Linien begannen sich auszubreiten und anzuschwellen, bis sie die Form einer silbernen Scheibe angenommen hatten, etwa so groß wie ein Salatteller. Plötzlich erschien ein Gesicht darauf – eine alte Frau mit Lockenwicklern und einem abgewetzten Bademantel mit Blumendruck. Sie hob die Hand und klopfte an die Tür, wartete, und als ihr niemand öffnete, machte sie ein unzufriedenes Gesicht und ging.
    »Meine Nachbarin, Mrs. Mazole«, sagte er.

    Ein zweites Gesicht erschien in dem silbernen Spiegel, und dieses Mal war es ein Mann mit dunkler Sonnenbrille und Nasenring. Auch er blickte verärgert auf die Tür, sagte dann aber: »Melde dich, wenn du wieder nach Hause kommst, O. Hier läuft irgendwas Komisches.«
    »Wow, das ist ja wie Video-Messaging …« Allerdings erinnerte mich das Prinzip noch an etwas anderes. »Diese Linien auf der silbernen Schatulle – die haben sich genauso verhalten.«
    »Das ist richtig.« Oberon bewegte die Hand vor dem silbernen Kreis hin und her, der daraufhin wieder auf seine Originalgröße zusammenschrumpfte. »Es ist ein Spionspiegel. Dieser hier zeichnet Bilder auf, aber die Schatulle stellt tatsächlich ein Portal zwischen den Welten dar. Sie fiel Dee im sechzehnten Jahrhundert in die Hände, und dann fand er heraus, wie er mit Geistern aus anderen Welten kommunizieren konnte.«
    Oberon öffnete zwei Schlösser und einen Riegel und schob dann die Tür auf. Wir betraten einen großen Raum, der in der halbrunden Apsis des Ecktürmchens auslief, in der sich vier Fenster befanden, die vom Boden bis zur Decke reichten. Das Zimmer war dunkel, sah man von dem orangefarbenen Licht ab, das durch die Fenster hineindrang. Als ich näher trat, stellte ich fest, dass man durch sie einen schönen Blick auf den Hudson hatte, überraschender weise ganz ähnlich der Aussicht aus Will Hughes’ Apartment in den Washington Heights. Vielleicht mussten all diese Unirdischen den Fluss im Auge behalten? Oder benutzten sie einfach ihre magischen Kräfte, um sich die attraktivsten Immobilien zu angeln?
    »Schöne Wohnung«, sagte ich.

    »Danke.« Er warf die Schlüssel in eine Keramikschüssel, die vor einem der Fenster stand, dann drückte er einen Schalter. Nun wurde auch der Rest des Zimmers von Licht durchflutet, und ich sah, dass die Wände auf ganzer Fläche mit gerahmten Fotos, Zeichnungen, Aquarellen, Pastellbildern und Ölgemälden bedeckt waren. Eine schlichte Strichzeichnung, auf der sich das Gesicht eines Mannes in einen Schmetterling verwandelte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war ganz klar Oberons Gesicht – und darunter prangte ebenso klar Picassos Unterschrift. Es gab noch weitere Porträts von Oberon: Ein Ölgemälde, auf dem er vor dem Hintergrund kostbarer Wandbehänge mit einem Turban und einem Perlenohrring dargestellt war; ein Siebdruck von ihm mit Dreadlocks, in vier verschiedenen Popart-Farben reproduziert, eine Bleistiftskizze, auf der er sich mit ausgestrecktem Zeigefinger auf einer Wolke zurücklehnte, eine Schwarz-Weiß-Fotografie, auf der er sich nackt um eine langstielige weiße Lilie zusammenrollte.
    »All diese Künstler hast du gekannt?«, fragte ich ehrfürchtig. Dieser Beweis seines hohen Alters und seiner hochkarätigen Bekanntschaften flößte mir noch mehr Hochachtung ein als all seine Zaubertricks.
    »Wie ich schon sagte, von der Beziehung zwischen einem Künstler und einem Unirdischen profitieren beide Seiten. Diese Bilder«, er machte eine ausladende Handbewegung, die all diese kostbaren Kunstwerke einschloss, »waren allesamt kleine Zeichen der Wertschätzung.«
    Nun hatte ich auch das Gemälde von Santé Leone entdeckt. Seine Farbwahl hätte ich überall erkannt. Eine Frau in einem muschelrosa Kleid stand auf einem Hügel, der
von einer lila Blütenpracht bedeckt war. Ihr hüftlanges schwarzes Haar reflektierte die Farben der Sonne, die hinter dem steinernen Turm im Hintergrund unterging. Ich trat einen Schritt näher. Ja, es sah aus wie meine Mutter – aber wann hatte Santé Leone sie je in einem Blumenfeld an einem steinernen Turm gesehen?
    »Er sagte mir, es sei ein Bild aus einem Traum«, erklärte Oberon, wie um meine unausgesprochene Frage zu beantworten.
    »Da ist etwas, das ich nicht verstehe.« Meine Stimme klang verärgert, aber das lag nur daran, dass ich nicht zeigen wollte, wie nahe ich den Tränen war. »Wenn du Santé gekannt hast – und dieses Bild von meiner Mutter besitzt -, dann musst du auch von mir

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