Blacklist - Blacklist - Blacklist
jetzt war ich völlig erschöpft. Das hatte ich gestern Abend Lotty begreiflich machen wollen: Ich wusste zur Zeit nicht, was mir mehr Angst machte, radikale Muslime oder radikale Amerikaner.
Ich hatte noch nichts zu Abend gegessen und auf keinen Fall die Energie, noch selbst zu kochen. Ich ging in den Diner und setzte mich an den Tresen.
Der Diner ist ein liebenswertes Überbleibsel aus der Zeit, als Lakeview noch ein Arbeiterviertel war und Mr. Contreras und ich Anteile an der Wohnbaugenossenschaft kauften. Jetzt können wir uns die Gegend kaum mehr leisten. Auch der Diner hat sich verändert - musste er wahrscheinlich, um zu überleben. Die Resopaltische und das frittierte Steak mussten lackiertem Holz und gegrilltem Lachs weichen. Mir stand heute Abend nicht der Sinn nach Modefutter, aber sie hatten noch ein paar alte Diner-Standards auf der Karte. Ich bestellte mir Käsenudeln. Sie waren nicht annähernd so gut wie die selbst gemachte Pasta meiner Mutter mit weißer Soße, aber dennoch tröstlich.
Während ich noch eine Tasse labbrigen Diner-Kaffee trank, überlegte ich, wo ich Benji unterbringen konnte: weder bei mir noch bei Mr. Contreras. Lotty oder Max konnten ihn keinesfalls beherbergen. Amy Blount kannte ich kaum, und außerdem hatte sie eine winzige Wohnung. Wenn es mir am nächsten Morgen gelang, zu Catherine Bayard vorzudringen, könnte ich sie fragen, ob sie noch irgendwo ein Versteck zu bieten hatte. Vielleicht das Apartment in Hongkong oder London. Nein, dann müssten wir ihn bei den gegenwärtigen Sicherheitsvorkehrungen außer Landes schaffen. Ich gab es vorerst auf und ging nach Hause ins Bett.
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Schläge auf das dicke Fell
Als ich aufwachte, schien zum ersten Mal seit Tagen die Sonne. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Ich hatte neun Stunden tief geschlafen, trotz der unruhigen Gedanken, mit denen ich mich ins Bett gelegt hatte. Ein weiteres gutes Zeichen.
Ich zog Jeans und Laufschuhe an. Da man mich nach St. Remigio verfolgt hatte, wollte ich den Wagen am Büro abstellen; ich musste mich schnell durch die Stadt bewegen können. Ich drehte mit den Hunden eine superkurze Runde, brachte sie zu Mr. Contreras und fuhr ins Büro. Dort checkte ich nur meine Nachrichten. Keine toxikologische Analyse. Keine dringenden Nachrichten. Ich versorgte das Handy mit frischen Batterien und zog wieder los.
Auf dem Weg zur El betrat ich unvermittelt eine Bäckerei und schaute dann zur Tür raus. Niemand war hinter mir stehen geblieben. Ich kaufte ein Ingwer-Scone und eine Flasche Orangensaft, nahm noch die Morgenzeitung mit und lief zur Hochbahn.
Als Detektiv mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein ist Stress. Der Zug war so voll, dass ich stehen musste. Ich konnte weder essen noch lesen, und als ich ausstieg, war ich immer noch drei Kilometer von meinem Ziel entfernt, da zur Gold Coast nicht dieselbe Linie fährt wie zu meinem Büro. An der Division Street schnappte ich mir ein Taxi zur Banks, Ecke Astor. Als ich ausstieg, warf sich eine junge Frau auf den Rücksitz, als ich noch nicht mal bezahlt hatte - es war zehn nach acht, die Zeit, in der ehrgeizige junge Anwälte und Banker zu ihren Schreibtischen hasten.
Ich überquerte die Straße und bezog Posten mit Blick auf die Wohnung der Bayards. Ich hielt mir den
Herald-Star
vors Ge sicht, rief an und fragte nach Renee. Sie war noch zu Hause. Kurz bevor sie ranging, unterbrach ich die Verbindung. Ich puhlte ein kleines Loch in den Herald-Star; dann futterte ich das Scone und beobachtete dabei Kindermädchen und Müt ter, die mit ihren Kindern zu Schule eilten. Bei der arbeitenden Bevölkerung gab es wüste Kämpfe um Taxis, darunter einen Schubswettkampf zwischen zwei Frauen. Meine Favoritin verlor.
Renee Bayard hätte vermutlich jeden Kampf um ein Taxi gewonnen, aber das hatte sie nicht nötig: Eine dunkelblaue Limousine wartete vor dem Haus. Um acht Uhr achtundvierzig stieg der Chauffeur aus und trat zur hinteren Tür des Wagens. Um acht Uhr fünfzig kam Renee durch die Tür marschiert, in einem dunkelblauen Wollkostüm. Ihr Sohn begleitete sie. Der Chauffeur riss für Renee den Wagenschlag auf, Edwards ging zur State Street, Richtung Norden.
Er konnte natürlich überall hingehen, aber in dieser Richtung lag die Vina Fields Academy. Wenn er dort Bücher und Unterrichtsmaterialien für Catherine abholte, würde Elsbetta das wissen, und ich konnte es nicht als Vorwand für meinen Besuch benutzen. Ich nagte unentschlossen an meiner
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