Blackmail: Thriller (German Edition)
habe ich recht?«
Sie rührt sich nicht. Sie blinzelt nicht einmal. Dann sagt sie ganz leise: »Ich fühle mich richtig mies deswegen. Vielleicht hätte ich einen Teil davon verhindern können.«
»Hättest du nicht. Aber du musst mir jetzt die Wahrheit sagen, Mia. Hast du gesehen, wie Marko auf dem Schulgelände Drogen verkauft hat?«
Sie nickt.
»Hast du gesehen, wie er jemanden verletzt hat? Geschlagen, meine ich?«
Ein tiefer Atemzug, und sie hält die Luft an. »Nein. Das habe ich nicht gesehen.«
»Warum das Zögern?«
»Ich hab an was anderes gedacht.«
»Was?«
»Private Dinge.«
Ich beschließe, nicht weiter nachzuhaken. »War Marko heute in der Schule?«
»Nein.«
»Was ist mit Steve Sayers?«
»Steve war da. Er hat über Dr. Elliott hergezogen, als ich ihn gesehen habe.«
Ein Bild von Kates Exfreund kommt mir in den Sinn. Ein Typ, der aussieht wie Matthew McConaughey in primitiv. »Hast du Steve je dabei beobachtet, wie er Drogen genommen hat?«
Mia verdreht die Augen. »Ich hab ihn Pot rauchen sehen. Aber das machen die meisten der Jungs gelegentlich, selbst die Sportskanonen.«
»Nichts Härteres als Pot?«
»Nein.«
»Glaubst du, Steve könnte Kate getötet haben?«
Sie zupft an einem Faden im Bezug eines Kissens neben ihr. »Höchstens in einem Wutanfall. Aber sobald er wieder bei klarem Verstand wäre, würde er heulen und schreien.«
»Vielleicht ist genau das passiert?«
»Ich würde ihm zutrauen, dass er Kate schlägt, wenn sie seine Männlichkeit beleidigt oder so was.«
»Was ist mit erwürgen?«
Sie neigt eine Hand von einer Seite zur andere. »Könnte ich mir vorstellen, ja.«
»Steve hat immer noch kein sicheres Alibi. Und er hat Drew angegriffen, noch bevor die Neuigkeit von seiner Affäre mit Kate richtig herum war. Könntest du versuchen herauszufinden, wie er von Kate und Drew erfahren hat?«
»Ich kann ihn fragen.«
»Sei vorsichtig.«
»Oh, keine Sorge. Steve ist im Grunde ein prima Kerl.« Mia nimmt das Kissen vom Sofa und drückt es sich an die Brust. »Weißt du, ich hab die ganze Zeit hier gesessen und überlegt, was hinter all dieser Gewalt steckt.«
»Tatsächlich?«
»Ich glaube, die Motive der Leute sind ziemlich einfach. Primitiv.«
»Erzähl weiter.«
»Es ist wie Sex.«
»Wie meinst du das?«
Sie zuckt die Schultern, als würde sich das von selbst erklären. »Sex ist immer da, verstehst du? Die Leute verhalten sich zivilisiert, sie halten sich an die Regeln, wenn sie in der Öffentlichkeit sind, aber diese heimlichen Affären und das alles sind immer da. Sieh dir nur die Eltern an der St. Stephen’s an. Wie viele von denen haben Sex mit anderen Ehepartnern als den eigenen? Ich weiß von einer ganzen Reihe. Und wie fangen diese Affären an? Mit einem Blick, der eine Sekunde zu lang gedauert hat? Oder weil man sich im Lebensmittelladen über den Weg läuft? Worauf ich hinauswill, ist, dass in uns ständig sexuelle Energie steckt. Das Verlangen, geliebt und gebraucht zu werden, sucht ständig nach Erfüllung.«
»Du hast recht. Und?«
»Das fehlt in der Geschichte, glaube ich.«
»Geschichte? Was meinst du damit?«
Mia drückt das Kissen fest an sich, doch sie scheint sich dessen nicht bewusst zu sein. »In der Schule lernen wir all diese geschichtlichen Ereignisse, historische Trends und was weiß ich. Was wir nicht lernen – und wahrscheinlich niemals erfahren werden –, ist die wahre Natur der Persönlichkeiten. Ich meine, wir können zwar Biographien lesen, und wenn wir Glück haben auch persönliche Briefe, aber die wahre Natur der Interaktion zwischen Individuen, die Chemie von Aggression und Unterwerfung, Stolz und Schande und sexueller Anziehung werden wir niemals erfahren. Deswegen war es so schockierend für das ganze Land, als man herausfand, dass Thomas Jefferson Kinder mit seiner schwarzen Sklavin hatte. Plötzlich war er kein Denkmal mehr im Granit des Mount Rushmore. Er war genau wie wir, verstehst du? Ein Riese auf tönernen Füßen. Wir redenuns ein zu wissen, dass wir alle nur menschlich sind, aber wir handeln so, als würden wir etwas anderes erwarten. Wir erwarten von unseren Helden, dass sie unsterblich sind. Das ist jetzt Drews eigentliches Problem.«
Mias Worte sprudeln nur so aus ihr hervor, doch ihre Beherrschung der Sprache ist erstaunlich. Habe ich als Senior in der Highschool auch so gesprochen? Ich glaube nicht. Ich habe das Gefühl, als würde Mia bis zum Rand angefüllt durchs Leben gehen und darum beten,
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