Blackmail: Thriller (German Edition)
verlassen hat, wird man Drew auf direktem Weg ins Gefängnis zurückbringen. Was er wohl denkt? Ein unschuldiger Mann, verurteilt wegen Mordes. Die Erkenntnis, dass zwölf unbescholtene Bürger ihn für fähig halten, ein junges Mädchen brutal zu vergewaltigen und zu ermorden, wird Drew zutiefst schockieren. Wäre nicht Timmy, müsste ich befürchten, dass er Selbstmord begeht.
»Penn, ist alles in Ordnung?«, fragt meine Mutter.
»Ja.«
»Was ist passiert?«
»Schuldig. Sie haben Drew schuldig gesprochen.«
»O Gott! Das kann nicht sein!«
Meine Mutter macht ein paar Schritte durchs Zimmer, bleibt dann kopfschüttelnd stehen. »Ich glaube das einfach nicht. Ich habe diesen Jungen aufwachsen sehen. Er hat jeden Tag in meinem Haus Thunfisch-Sandwichs gegessen, jeden Sommer, viele Jahre lang. Dieser Junge wurde anständig erzogen. Nie im Leben wäre er imstande, das arme Mädchen so brutal zu misshandeln und ermorden. Niemals! Die Welt steht auf dem Kopf, Penn.«
»Ich bin ganz deiner Meinung, Mom. Aber zwölf Geschworene waren es nicht.«
»Diese Narren!«, sagt sie im Brustton der Überzeugung. »Diese unendlich dummen Narren!«
»Es war ein schlüssiger Fall, Mom. Aber das ist jetzt egal. Jetzt muss Drew sich auf die Berufung vorbereiten.«
»Haben sie die Todesstrafe verhängt?«
»Das ist ein getrennter Abschnitt der Verhandlung. Vielleicht tun sie es heute, vielleicht warten sie noch bis morgen.«
Mom kommt zu meinem Bett zurück und blickt mich sorgenvoll an. »Du siehst schlecht aus, Penn. Schlimmer als noch vor ein paar Minuten.«
»Mir geht’s auch nicht besonders«, gestehe ich.
»Ich werde deinem Vater sagen, dass er dir etwas geben soll. Irgendetwas, das dir hilft zu schlafen.«
»Ich brauche nichts, Mom.«
»Lass das meine Sorge sein.«
Zehn Minuten später erscheint mein Vater, eine Spritze in der Hand. Wenn doch nur das darin wäre, was Blue mir immer gegeben hat …
Doch es dauert nicht lange, und ich bin wieder eingeschlafen.
»Penn?«
Ich stöhne leise und schlage die Augen auf.
»Wer ist da?«, krächze ich und blinzle ins Licht.
»Ich bin’s.«
»Wer ist ich?«
»Ellen. Ellen Elliott. Mein Gott, Penn … geht es dir so schlecht?«
»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.«
»Es ist wahrscheinlich schlimmer.«
Ich kann sie jetzt sehen. Ihre Haut wirkt grünlich unter dem Licht der Leuchtstofflampen. Ellen sieht ebenfalls nicht gut aus. Sie hat abgenommen in den vergangenen beiden Wochen. Sie hat eine Menge Gewicht verloren. Ihre Haarfärbung verblasst ebenfalls – das nordische Blond zeigt einen Ansatz aus Braun und Grau.
»Wie spät ist es, Ellen? Hast du den Urteilsspruch gehört?«
Sie nickt. »Das war vor zwei Stunden.«
»Oh. Warst du im Gerichtssaal?«
»Nein. Ich habe es nicht ertragen. Ich wollte bei Timmy sein.« Ellen lächelt gezwungen, doch die Anstrengung bleibt vergeblich. »Es ist sehr schwer im Moment, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Leute starren mich an und zeigen auf mich, als wäre ich ein Zirkustier. Sie verschonen nicht mal Timmy. Die Kinder in der Schule … sie sind einfach grausam.«
»So ist das bei solchen Prozessen. Ich mache dir keine Vorwürfe, Ellen, aber ich weiß, dass Drew dich vermisst hat, als das Urteil verkündet wurde.«
Sie starrt mich misstrauisch an. »Meinst du wirklich?«
»Ich weiß es, ganz gleich, was zwischen euch beiden passiert ist. Der heutige Tag kann das Ende von Drews Leben bedeuten, Ellen, und er hat den größten Teil dieses Lebens mit dir verbracht.«
Sie blinzelt, und dann strömen ihr Tränen über die Wangen. »Wie konnten sie ihm das nur antun?« Sie hebt eine zitternde Hand und wischt sich übers Gesicht. »Er hat dieser Stadt so viel gegeben. So vielen Leuten in dieser Stadt. Wie konnten sie nur glauben, dass Drew zu so etwas fähig ist?«
»Ich dachte, du hättest es ebenfalls geglaubt?«
Ellen scheint mich nicht gehört zu haben. »Was soll ich jetzt nur tun? Ich habe einen Sohn, Penn. Was sage ich Timmy?«
»Versuch ihm alles zu erklären. Timmy ist alt genug, um wenigstens einen Teil zu begreifen.«
Sie schüttelt entschieden den Kopf. »Nein. Er ist viel jünger, als du glaubst. Seelisch, meine ich.«
Ellen setzt sich zu mir auf die Bettkante, erhebt sich aber sofort wieder. Ich weiß nicht, was ich mit ihrem emotionalen Zustand anfangen soll. Vielleicht weiß sie es selbst nicht. Ich studiere ihr Gesicht, sehe, dass sie zu viel Lippenstift aufgetragen hat, und mir wird mit
Weitere Kostenlose Bücher