Blackmail: Thriller (German Edition)
graben müssen, um irgendwann wieder aus der Erde zu kommen – es sei denn, sie gruben Dutzende von Metern weiter als nötig. Kein Sklavenhalter hätte die Arbeitskraft seiner Sklaven leichtfertig verschwendet, insbesondere nicht in Kriegszeiten. Er hätte seinen »Darkies« befohlen, die kürzeste Route zu graben, die in Sicherheit führte, und das war nach Norden. Dreißig Meter Tunnel, und sie hätten dort gestanden, wo ich jetzt stehe. Am Rand des Bayous.
Ein Meter schwarzes Wasser glitzert zwischen den Uferböschungen, und ein Gewirr von Baumwurzeln greift wie Finger hinein. Lange Bärte aus Moos hängen von den Zweigen der Bäume darüber. Das Kudzu ist so dick, da es unmöglich ist,sich leise entlang einer der Böschungen fortzubewegen. Außerdem wäre das die beste Methode, sich von einer Mokassinschlange beißen zu lassen, insbesondere nachts. Ich schiebe mich durch die Ranken, die die Böschung überwuchern, und steige ins Wasser; dann setze ich mich langsam in Richtung der Rückseite des Herrenhauses in Bewegung.
Je weiter ich mich Ardenwood nähere, desto höher steigen die Böschungen rechts und links auf. Wenn ich recht habe mit dem Tunnel, wäre es gut möglich, dass Mia und Marko schon hervorgekommen sind, doch ich kann nichts weiter tun als auf meinen Instinkt vertrauen. Ich versuche nicht laut zu platschen, während ich mich über den schlammigen Grund voranbewege. Mit jedem Schritt, den ich mache, rascheln unsichtbare Kreaturen durch das Gewirr von Wurzeln entlang der Böschung, und glänzende Schnüre entrollen sich im Wasser und gleiten davon. Wasser-Mokassins. Ich hatte immer Angst vor Schlangen, doch Mia droht ein viel schlimmeres Schicksal als ein Schlangenbiss. Ich wappne mich innerlich gegen einen möglichen Biss, während ich mich unaufhaltsam voranschiebe.
Ardenwood ragt nun hoch über mir auf und erscheint mehr wie ein Teil der Landschaft als ein von Menschenhand erschaffenes Gebilde. Wenn es einen Tunnel gibt, der aus dieser Ruine nach draußen führt, dann müsste ich mich allmählich dem Ausgang nähern. Ich bleibe im Wasser stehen und lausche mit der Konzentriertheit der Verzweiflung.
Moskitos summen.
Nasses Laub raschelt.
Eine Schildkröte platscht ins …
»Wenn du auch nur den geringsten Laut von dir gibst, bringe ich dich um.«
Unaussprechliche Angst paralysiert mich, und ich bleibe wie angewurzelt stehen.
»Hast du verstanden, Miststück?«
»Ich hab verstanden.«
Beim Klang von Mias Stimme flackert neue Hoffnung in mir auf.
»Dann setz deinen Arsch in Bewegung!«
Ein Platschen ertönt hinter mir, viel lauter als das der Schildkröte Sekunden zuvor. Wenn ich mich jetzt bewege, weiß Marko, dass ich hier bin. Ein neuerliches Platschen; dann weht zwischen den Bäumen das Heulen einer Sirene heran.
»Scheiße!« , flucht Marko. »Du verlogene Hure!«
»Lauf!«, drängt Mia ihn. »Du kannst es schaffen. Ich halte dich nur auf.«
»Wenn ich dich hier zurücklasse, dann tot.«
»Marko, bitte …«
»Halts Maul!«
Das Geheul der Sirene wird schnell lauter.
»Hier lang!« , sagt Marko schroff.
Ich höre weiteres Platschen, näher diesmal, und es nähert sich weiter. Marko ist sicher keine drei Meter mehr von mir entfernt, und er kommt immer noch auf mich zu.
Er kann mich nicht sehen!
Es ist so dunkel hier am Grund des Bayous, dass man lediglich den Himmel erkennen kann. Nur nächtliche Raubtiere sehen hier noch etwas. Ich stehe vollkommen reglos da, während das Platschen näher und näher kommt. Marko flucht, während er sich am linken Ufer entlang voranarbeitet und Mia hinter sich herzerrt – zumindest ist es das, was ich mir nach den Geräuschen zu urteilen vorstelle. Das Wasser schwappt gegen meine Beine, als sie an mir vorbeikommen. Sie verfehlen mich nur, weil sie sich halb im schmalen Wasserlauf, halb auf dem Ufer bewegen, und ich stehe mitten im Wasser.
Als sie drei Meter an mir vorbei sind, drehe ich mich um und folge ihnen.
Marko bewegt sich nun schneller voran, der Richtung der Straße entgegengesetzt. Wenn ich mich nicht beeile, hängt er mich ab. Wenn ich mich schneller bewege, hört er mich vielleicht. Sechs Meter vor mir erkenne ich zwei schemenhafteGestalten. Sie durchqueren einen schmalen Schaft aus Mondlicht, der durch eine Lücke in den Zweigen über mir fällt. Mias kleinere Gestalt ist leicht von der großen, schlaksigen Gestalt Markos zu unterscheiden. Ich bewege mich schneller und kämpfe gegen aufkommendes Seitenstechen an. Wie lange
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