Blackmail: Thriller (German Edition)
erzählen, weil Timmy in letzter Zeit immer so traurig war.«
Als ich den Arm um Annie lege und sie fest an mich drücke, taucht am Ende der Washington Street ein Scheinwerferpaar auf, das sich mit leicht überhöhter Geschwindigkeit nähert, dann langsamer wird und am Bordstein vor meinem Haus in eine Parklücke stößt. Mia springt mit einem Lächeln auf den Lippen und einer CD-Hülle in der Hand aus ihrem Honda Accord.
»Wir werden ein wenig tanzen, Kleine!«, begrüßt sie Annie und schiebt die Hüfte mit einer Bewegung vor, die sich wie durch irgendein dunkles physikalisches Gesetz an ihrer Wirbelsäule entlang nach oben und bis in ihre steifen Fingerspitzen fortzupflanzen scheint.
Annie springt auf. »Was denn tanzen?«
»Cheerleader-Tanz!«
Annie klatscht in die Hände und umarmt Mias Taille. Sie ist ganz aus dem Häuschen vor Begeisterung. Es ist eine Art von Hochgefühl, die ein Vater einfach nicht zu erzeugen vermag, ganz gleich, wie sehr er sich bemüht – meiner Erfahrung nach jedenfalls.
»Lauf schon mal ins Haus und leg die hier in deine Boombox«, sagt Mia mit einem Seitenblick zu mir. »Ich komme gleich nach.«
»Beeil dich!«, sagt Annie, nimmt die CD und verschwindet im Haus.
»Was ist passiert?«, frage ich Mia, als wir allein sind. »Was weißt du?«
Mias Lächeln verschwindet. »Du weißt, dass die Grand Jury sich eingeschaltet hat?«
»Inwiefern?«
»Heute Nachmittag haben vier Mädchen aus meiner KlasseVorladungen bekommen. Sie sollen vor der Grand Jury aussagen.«
Die Brust wird mir eng. »Wann?«
»Gleich heute Nachmittag. Es ist bereits vorbei.«
»Verdammt! Haben sie dir vielleicht erzählt, was sie gefragt wurden?«
»Ich hab nicht selbst mit ihnen geredet, aber wie ich gehört habe, wurden sie vom Bezirksstaatsanwalt vernommen, dem Schwarzen, der sich vor ein paar Jahren zum Bürgermeister wählen lassen wollte.«
»Shad Johnson.«
»Genau. Ich weiß nur, dass es um Kate und Dr. Elliott gegangen ist.«
»Das ist unerhört! Shad hat tatsächlich Drews Namen erwähnt?«
»Ich weiß es nicht mit Bestimmtheit. Aber ich kann ja versuchen, es herauszufinden.«
»Bitte tu das. Eigentlich darf niemand über das sprechen, was im Raum der Grand Jury passiert, doch ich nehme an, dass die Mädchen über nichts anderes mehr reden.« Zusammen mit der Hälfte der Mitglieder der Jury selbst, füge ich im Stillen hinzu.
»Oh ja. Es sind ausnahmslos Klatschmäuler.«
»Meinst du, dass sie etwas Intimes über Kate wussten?«
»Nein. Ich weiß nicht mal, warum ausgerechnet diese vier vorgeladen wurden.«
»Shad fischt im Trüben. Er weiß es nicht besser. Und er missbraucht das System der Grand Jury für seine eigenen Zwecke!«
»Wie das?«
Ich drücke auf den Knopf an meinem Schlüsselring und schließe meinen Wagen auf. »Eine Grand Jury hat keine ermittelnden Funktionen. Sie tritt zusammen, um zu entscheiden, ob jemand wegen eines Verbrechens vor Gericht gestellt werden soll oder nicht, basierend auf Beweisen, die von denGesetzesbehörden vorgelegt werden. Shad benutzt die Grand Jury, um ein paar wichtige gesetzliche Schutzbestimmungen zu umgehen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel die Befragung von Minderjährigen ohne Beisein ihrer Eltern. Polizeibeamte dürfen so etwas nicht. Shad könnte auch Drew vorladen und befragen, ohne dass ein Anwalt zugegen ist. Doch er hat keinerlei Grundlage dafür. Drew wurde bisher noch nicht mal des Mordes beschuldigt. Wenn Shad seinen Namen vor der Grand Jury erwähnt hat, ist der einzige Grund, der das rechtfertigen würde, diese Schlägerei am heutigen Nachmittag. Doch Drew wurde wegen dieser Schlägerei bisher nicht offiziell angeklagt.«
»Alle reden über diese Schlägerei«, sagt Mia. »Ich hab gehört, Dr. Elliott soll Steve ziemlich übel zugerichtet haben. Ich hab die beiden anderen Jungs gesehen, Ray und Jimmy. Sie sehen aus, als wären sie von einem Laster überrollt worden.«
»Die Schlägerei ereignete sich in der Mittagszeit. Warum waren die Jungen nicht in der Schule?«
»Sie haben blaugemacht. Die meisten Schüler in der letzten Klasse haben heute gefehlt. Viele von ihnen wurden von der Polizei vernommen oder von Deputy-Sheriffs, und wir anderen haben es als Ausrede benutzt.«
»Was sagen die Leute über Drew?«
»Die Meinungen sind geteilt, ob du’s glaubst oder nicht.«
»Tatsächlich?« Ich habe noch weitere Fragen an Mia, doch irgendetwas sagt mir, dass Ellen Elliott nicht länger warten kann. »Ich muss los, Mia.
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