Blackmail: Thriller (German Edition)
habt Fotos gemacht?« Warum frage ich das? Natürlich haben sie Fotos gemacht. Jeder macht heutzutage Fotos. »Habt ihr euch auch gefilmt?«
»Kate hat uns gefilmt. Aber sie hat das Band vernichtet.«
Ich bin nicht sicher, ob ich das glaube, aber das ist im Moment nicht der entscheidende Punkt. »Was ist mit Ellen?«, frage ich. Ellen ist seine Frau.
Seine Augen bleiben trocken. »Unsere Ehe ist seit zehn Jahren tot.«
»Davon habe ich nichts gemerkt.«
»Wie auch. Du und alle anderen in der Stadt – keiner von euch hat etwas gemerkt. Ellen und ich haben Tag für Tag großes Theater gespielt, alles nur um Tims willen.«
Tim ist Drews neunjähriger Sohn, selbst bereits so etwas wie ein Goldjunge in der Grundschule. Annie ist schwer in ihnverknallt, auch wenn sie das niemals zugeben würde. »Was ist mit Tim? Wolltest du ihn zurücklassen?«
»Natürlich nicht! Aber ich musste mich zuerst von Ellen lösen. Diese Ehe macht mich kaputt.«
Das sagen sie immer, bevor es zur Scheidung kommt. Jede Erklärung ist ihnen recht, wenn sie nur aus dieser Ehe rauskommen.
»Ich möchte nichts Negatives über Ellen sagen«, fährt Drew leise fort. »Aber die Situation ist schon seit langer Zeit schwierig. Ellen ist hydrocodonsüchtig. Seit sechs Jahren schon.«
Ellen Elliott ist Anwältin, die sich mit Mitte dreißig dem Immobiliengeschäft zugewandt hat, ein richtiger Dynamo, spezialisiert auf die gehobenen Vor-Bürgerkriegs-Herrenhäuser in der Stadt. Sie stammt aus Savannah und scheint das seltene Kunststück geschafft zu haben, sich Einlass in die feine Gesellschaft von Natchez zu verschaffen, was Außenseitern so gut wie nie gelingt. Ich kenne Ellen nicht besonders gut, doch die Vorstellung, dass sie drogensüchtig ist, kann ich nur schwer schlucken. Mein mentaler Schnappschuss von ihr ist der einer schlanken, sehr gepflegten Blondine, die zum Vergnügen Marathons läuft.
»Das ist schwer zu glauben, Drew.«
»Du kannst dir nicht vorstellen, dass Ellen sich Lorcet Plus einwirft wie andere M&Ms? So ist es aber, Mann. Ich habe jahrelang versucht, ihr zu helfen. Habe sie zu Suchtspezialisten geschleppt und viermal in den vergangenen drei Jahren Entziehungskuren bezahlt. Nichts hat geholfen.«
»Ist sie klinisch depressiv?«
»Ich glaube nicht. Du hast sie gesehen. Sie ist sehr extrovertiert. Aber unter dieser Energie lauert etwas Dunkles. Alles, was sie unternimmt, geschieht aus Streben nach Geld oder sozialem Status. Vor zwei Jahren hat sie während eines Tennisturniers mit einem Typen aus Jackson geschlafen. Ich kann nicht glauben, dass sie die Frau ist, die ich geheiratet habe.«
»War sie anders, als ihr geheiratet habt? Was Geld und sozialen Status angeht, meine ich?«
»Ich nehme an, die Veranlagung war damals schon vorhanden. Nur sah es damals aus wie gesunder Ehrgeiz. Trotzdem, ich hätte es erkennen müssen. Ihre Mutter ist genauso.«
Ich kann nicht anders, ich muss Ellen verteidigen. »Wir alle werden irgendwann wie unsere Eltern, Drew. Ich bin sicher, auch du hast dich verändert.«
Er nickt. »Schuldig im Sinne der Anklage. Aber ich versuche der beste Mensch zu sein, der ich sein kann.«
Und das hat dich in die Arme eines siebzehnjährigen Mädchens geführt? Ich habe noch mehr Fragen, aber die Wahrheit ist, ich will die schmutzigen Details von Drews Liebesleben überhaupt nicht wissen. Ich habe zu viele betrunkene Freunde gehört, die darüber gejammert haben, wie ihre Träume sich nicht verwirklicht haben, und es war immer ein weinerlicher Monolog. Das Eigenartige daran ist nur, dass Drew Elliott, gemessen an den Maßstäben anderer, ein traumhaftes Leben geführt hat. Doch wie meine Mutter immer sagte: Du weißt nie, was im Topf von jemand anderem kocht. Und eines ist sicher: Was immer als Ergebnis von Kates Tod geschehen mag – Drews sagenhaft erfolgreicher Lauf durch das Leben ist unvermittelt zu Ende gegangen.
»Ich muss nach Hause zu Annie, Drew«, sage ich. »Mia muss weg.«
Er nickt verständnisvoll. »Was ist jetzt, Penn? Wirst du mir helfen?«
»Ich tue, was ich kann, aber ich bin nicht sicher, ob das viel ist. Warten wir ab, was der morgige Tag bringt.«
Er nickt und blickt in den Schoß, unübersehbar enttäuscht. »Ich schätze, mehr kann ich nicht erwarten.«
Ich will aus dem Wagen steigen, als Drews Handy summt. Er blickt auf das Display und zuckt zusammen. »Jenny Townsend«, sagt er.
Meine Brust verengt sich.
»Wahrscheinlich will sie, dass ich vorbeikomme.«
»Wirst du
Weitere Kostenlose Bücher