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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hielt ihn in meiner Handfläche, und die Augen aus geschliffenem Glas funkelten böse. Das künstliche Haar hatte sich gelöst, aber ein paar Strähnen waren noch auf dem grinsenden Schädel geblieben.
    »Das ist Mist«, sagte Minassian. »Dreckig. Werfen Sie es weg.«
    Ich schloß die Hand über dem Andenken des Kindes und war sicherer denn je, daß die Vermutung, welche mich auf dem Flug hierher gequält hatte, der Wahrheit entsprach. Und daß ich nun schnell reagieren mußte. Ich steckte den Schrumpfkopf ein, lächelte Minassian an und ging.
    »Hey!« rief er mir nach. Dann murmelte er etwas, das sich anhörte, wie »Verrückte Doktors.«
    Ich fuhr zurück auf den Freeway und von dort aus in Richtung Osten; dabei brauste ich dahin wie ein Wahnsinniger und konnte nur hoffen, daß mich die Verkehrspolizei nicht aufhielt. Ich hatte zwar die Identifikationskarte der Polizei von Los Angeles in der Tasche, bezweifelte aber, daß sie mir in diesem Fall nützen konnte. Auch Berater der Polizei sind nicht berechtigt, ständig von einer Spur in die andere zu wechseln und den übrigen Verkehr, der ohnehin mit achtzig Stundenmeilen dahinfloß, zu überholen.
    Ich hatte Glück. Der Verkehr war dünn, die Wächter des Asphalts waren nicht in Sicht, und ich schaffte es vor Eins bis zur Ausfahrt Silver Lake. Fünf Minuten später ging ich die Treppe zum Haus der Familie Gutierrez hinauf. Die orangefarbenen und roten Mohnblüten ließen die Köpfe hängen und hatten Durst. Die Veranda war leer. Die Bretter knarrten, als ich sie betrat.
    Ich klopfte an die Tür. Cruz Gutierrez öffnete, hatte Stricknadeln und leuchtend rosafarbene Wolle in der Hand. Sie schien nicht überrascht zu sein, mich zu sehen. »Si, Senor?« ‘
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Senora.«
    » No hablo ingles.«
    »Bitte. Ich weiß, Sie verstehen genug, um helfen zu können.« Das runde, dunkelhäutige Gesicht war ausdruckslos. »Senora, das Leben eines Kindes steht auf dem Sjpiel.« Das war noch optimistisch ausgedrückt. »Una nifia. Sieben Jahre alt - siete anos. Die Kleine ist in Gefahr. Sie könnte getötet werden. Muerta - wie Elena.«
    Ich wartete, bis sie es kapiert hatte. Die Hand mit den Leberflecken umschloß die blauen Nadeln. Die Frau hatte sich abgewendet.
    »Genau wie das andere Kind - dieser kleine Nemeth. Elenas Schüler. Er ist nicht bei einem Unfall ums Leben gekommen. Elena hat es gewußt. Sie mußte sterben, weil sie es wußte.« Sie legte die Hand auf die Türklinke, war bereit, sie zu schließen. Ich hielt sie mit der Hand offen.
    »Ich kann gut verstehen, wie schwer der Verlust für Sie ist, Senora, aber wenn Elenas Tod nachträglich noch Sinn bekommen soll, dann dadurch, daß er weitere Morde verhindert. Bitte.«
    Ihre Hände begannen zu zittern. Die Nadeln klapperten wie Eßstäbchen in den Fingern eines chinesischen Spastikers. Sie ließ sie zusammen mit dem Wollknäuel fallen. Ich bückte mich und hob ihr beides auf.
    Sie nahm es und drückte es sich an die Brust.
    »Kommen sie herein, bitte«, sagte sie in einem Englisch, das kaum einen Akzent aufwies.
    Ich war zu nervös, um sitzen zu wollen, aber als sie auf das grüne Samtsofa zeigte, ließ ich mich doch nieder. Sie setzte sich mir gegenüber auf einen Sessel und zeigte dazu eine Miene, als erwarte sie ihr eigenes Todesurteil.
    »Erstens«, begann ich, »müssen Sie verstehen, daß ich keineswegs die Absicht habe, die Erinnerung an Elena zu trüben. Wenn es nicht um weiteres Leben ginge, das in Gefahr ist, wäre ich jetzt nicht hier.«
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Das Geld - ist es hier?«
    Sie nickte, stand auf, verließ das Zimmer und kam Minuten später mit einer Zigarrenkiste zurück.
    »Hier.« Sie reichte mir die Kiste, als wäre sie etwas Lebendiges, Gefährliches.
    Es waren lauter große Scheine - Zwanziger, Fünfziger, Hunderter -, ordentlich zusammengerollt und mit dicken Gummibändern gesichert. Ich zählte überschlagsweise: In der Zigarrenkiste waren mindestens fünfzigtausend Dollar, wahrscheinlich noch wesentlich mehr. »Nehmen Sie es«, sagte ich. »Nein. Nein. Ich nicht wollen. Schwarzes Geld.«
    »Oder lassen Sie es hier, bis ich es abhole. Weiß außer Ihnen jemand davon - einer Ihrer Söhne, oder beide?«
    »Nein.« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Rafael wissen und wegnehmen und sein Zeug kaufen damit. Nein. Nur ich.«
    »Seit wann haben sie es hier?«
    »Elena, sie bringt es herüber an dem Tag, bevor sie umgebracht wurde.« Die Augen der Mutter

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