Blackout
geschlagen. Aber dann schlug er die Augen wieder auf, leckte sich die Lippen und stieß ein trockenes Husten aus.
»Sie waren schon clean, Rafael, haben das Zeug nicht mehr gebraucht. Und dann haben Sie wieder mit dem Fixen angefangen. Gleich nach Elenas Tod. Woher hatten Sie das Geld? Für wieviel Heroin haben Sie Ihre Schwester verkauft?«
»Ich weiß überhaupt nichts.« Er zitterte spastisch. »Lassen Sie mich los. Ich weiß überhaupt nichts.«
»Ihre eigene Schwester«, sagte ich. »Und Sie haben sich von ihren Mördern kaufen lassen, für den Preis von einem Fix.«
»Biiiitte, Mister. Lassen Sie mich los.«
»Erst wenn Sie bereit sind zu reden. Ich habe nicht die Zeit, um sie mit Ihnen zu vergeuden. Ich will jetzt wissen, wo diese Bänder sind. Wenn Sie es mir nicht bald sagen, nehme ich Sie mit nach Hause und schnüre Sie zu einem Paket zusammen; dann können Sie Ihren Turkey bei mir in irgendeiner Ecke genießen. Stellen Sie es sich vor - und Sie wissen, wie schlimm das wird, Rafael. Es wird viel schlimmer, als es jetzt ist.« Er schien zu schrumpfen. »Ich hab’ sie einem Kerl gegeben«, stotterte er. »Für wieviel?«
»Nicht Geld, Mann. Für Stoff. Er hat mir Stoff gegeben. Genug für eine Woche. Guten Stoff. Lassen Sie mich jetzt los, ich habe eine Verabredung.«
»Wer war der Kerl?«
»Ach, irgendeiner. Ein Anglo. Wie Sie.«
»Wie hat er ausgesehen?«
»Ich weiß nicht, Mann, kann nicht mehr richtig denken.«
»Denken Sie an den Turkey, Rafael. Zusammengeschnürt.«
»Fünf-, sechsundzwanzig. Klein. Gute Figur, kräftig. Hat ganz normal ausgesehen. Blondes Haar, das ihm in die Stirn fällt, okay?«
Er hatte Tim Kruger beschrieben. »Wozu brauchte er die Bänder? Hat er das gesagt?«
»Nee, und ich hab’ nicht gefragt. Er hatte guten Stoff, verstehen Sie?«
»Und das hat Sie nicht gewundert? Ihre Schwester war tot, und Sie haben sich nicht gefragt, warum Ihnen ein Fremder eine Menge Stoff für die Tonbänder gegeben hat?« . »Hey, Mann, ich hab’ mich nicht gewundert, hab’ überhaupt nichts dabei gedacht. Ich muß jetzt einen Schuß haben, Mann. Es fängt an, furchtbar weh zu tun. Lassen sie mich los.«
»Hat Ihr Bruder etwas davon gewußt?«
»Nein! Er bringt mich um, Mann. Sie tun mir weh, aber Andy bringt mich um, verstehen Sie? Sagen Sie es ihm bloß nicht.«
»Was war auf den Tonbändern, Rafael?«
»Keine Ahnung. Hab’ sie mir nicht angehört.« Aus Prinzip weigerte ich mich, ihm zu glauben. »Denken Sie daran, wie Sie bei mir in der Ecke liegen. Gefesselt. Wie ein Fisch auf dem Trockenen.«
»Ach was, es war nur so’n Gequassel von einem Kind, ich schwöre es. Ich hab’ mir nicht alles angehört, aber als er mir den Stoff dafür angeboten hat, da hab’ ich gedacht, ich hör’ mal ein bißchen rein, bevor ich die Kassetten dem Kerl gebe. Es war ein Kind, das mit meiner Schwester geredet hat. Sie hat nur zugehört und gesagt, er soll weiterreden, und er hat weitergeredet.«
»Worüber?«
»Ich weiß nicht, Mann. Dann ist es ziemlich hart geworden, das Kind hat geweint, Elena hat geweint, und ich hab’ das Ding abgeschaltet. Hab’ es gar nicht wissen wollen.«
»Worüber haben die beiden geweint, Rafael?«
»Weiß ich doch nicht, Mann, irgendwas über jemanden, der dem Kind weh getan hat. Elena hat ihn gefragt, ob man ihm etwas angetan hat, und er hat ja gesagt, da hat sie angefangen zu weinen, und der Junge hat auch geheult.«
»Was noch?«
»Das ist alles.«
Ich packte ihn am Hals und schüttelte ihn, daß seine Zähne klapperten.
»Sie wollen, daß ich Ihnen irgendeinen Quatsch erzähle, aber das kann ich nicht, Mann, und das ist auch schon alles, was ich darüber weiß!«
Er hatte die letzten Worte sehr laut herausgeschrien und mußte jetzt erst einmal Luft schöpfen.
Ich hielt ihn auf Armeslänge vor mich hin, dann ließ ich ihn los. Er schaute mich ungläubig an, rutschte an der Mauer entlang, fand schließlich einen Durchgang zwischen dem Chevy und einem verrosteten Dodge-Karavan. Während er mich immer noch anstarrte, wischte er sich wieder einmal die Nase ab, zwängte sich dann durch die Lücke zwischen den zwei Wagen und lief hinaus in die Freiheit.
Ich fuhr zu einer Tankstelle, Ecke Virgil und Sunset, tankte voll und rief von der Telefonzelle aus in La Casa de los Ninos an. Die Empfangsdame mit der begeisterungsfähigen Stimme antwortete. Ich legte mir einen texanischen Akzent zu und fragte nach Kruger.
»Mr. Kruger ist heute nicht im Hause,
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