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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Altruismus gesprochen. Ich wußte, auf wessen Mist dieser Spruch gewachsen war.
    »Ich bin Gus hörig«, sagte er. »Aber nicht durch irgendeine ungewöhnliche sexuelle Neigung. Das ist seine Bindung zu den anderen, zu Stuart und Eddy. Seit unserer Jugendzeit weiß ich Bescheid über ihre - ihre seltsamen Neigungen. Wir sind alle an einem isolierten, einem sonderbaren Ort aufgewachsen. Wir wurden kultiviert wie Orchideen. Privatunterricht für dies und für das, wir mußten ordentlich aussehen und uns ordentlich betragen. Manchmal frage ich mich, ob uns diese hochgezüchtete Atmosphäre nicht mehr geschadet als genützt hat. Sehen Sie doch, was aus uns geworden ist: ich mit meinen Anfällen - ich weiß, es gibt heutzutage genauere Bezeichnungen dafür, doch ich versuche, sie zu umgehen-, Stuart und Eddy mit ihren seltsamen sexuellen Neigungen. Sie haben zunächst miteinander angefangen, als wir neun oder zehn waren. Dann mit anderen Kindern. Kleineren, ja, wesentlich kleineren. Ich dachte mir nichts dabei, wußte nur, daß mich das nicht interessierte. So wie wir aufwuchsen, war richtig oder falsch nicht so entscheidend wie ordentlich und nicht ordentlich. ›Das ist nicht ordentlich, Willie‹, hat Vater gesagt. Ich kann mir denken, wenn Stuart und Eddy von ihren Vätern beim sexuellen Spiel mit den Kleinkindern erwischt worden wären, hätte man ihr Verhalten ebenso beschrieben: ›nicht ordentlich‹. Wie wenn man für die Vorspeise das falsche Besteck benützt.«
    Seine Beschreibung des Heranwachsens auf Brindamoor entsprach völlig der, die mir van der Graaf gegeben hatte. Es erinnerte mich an die Zierfische in dem großartigen Aquarium des japanischen Restaurants Oomasa: schön, auffallend, kultiviert durch Mutationen und Jahrhunderte der Inzucht, aufgewachsen in einer geschützten Umwelt. Aber zugleich vollkommen überzüchtet und nicht mehr in der Lage, mit den Realitäten des Lebens fertigzuwerden.
    »In diesem Sinn, ich meine im Sexuellen, war ich ganz normal«, sagte er. »Ich habe geheiratet, habe ein Kind gezeugt, einen Sohn. Ich habe-mich völlig ordentlich betragen. Stuart und Eddy waren auch weiterhin meine Freunde, aber sie gingen ihren perversen Neigungen nach. Es hieß leben und leben lassen. Sie haben meine- Anfälle mit keiner Silbe erwähnt. Und ich habe mich nicht um ihre Perversionen gekümmert. Stuart war wirklich ein feiner Kerl, nicht übermäßig gescheit, aber gutmütig. Wirklich schade, daß er… Abgesehen von dieser Neigung war er ein guter Junge. Eddy war, das heißt, er ist da etwas anders. Er hat zwar Sinn für Humor, aber es ist ein böser Humor. Er hat wirklich einen üblen Zug, ist grundsätzlich bösartig und sarkastisch- deshalb bin ich gegenüber dem Sarkasmus besonders empfindlich. Vielleicht liegt es daran, daß er so klein geblieben ist…«
    »Sie sprachen von Ihrer Beziehung zu McCaffrey«, erinnert ich ihn.
    »Kleine Männer werden nicht selten so wie Eddy. Sie sind - ic kann es jetzt nicht sehen, aber ich erinnere mich, daß Si mittelgroß sind. Ist das richtig?«
    »Ich bin einsachtundsiebzig«, sagte ich etwas ungeduldig. »Das ist mittelgroß. Ich war schon als Junge groß. Vater wa auch groß. Wie Mendel es bestimmt hat: lange Bohnen, kurz Bohnen - ein faszinierendes Feld, die Genetik, nicht wahr?«
    »Doktor-«
    »Ich habe mich oft über den Einfluß der Vererbung auf di Charakterzüge und Eigenschaften des Menschen gewundert Nehmen wir zum Beispiel Intelligenz. Das herrschende, lib rale Dogma läßt uns glauben, daß die Umwelt die entscheide den Anstöße zur Ausbildung von Intelligenz gibt. Das ist ein gleichmacherische These, die von der Realität nicht bestäti wird. Lange Bohnen, lange Bohnen. Kurze Bohnen, kur Bohnen. Kluge Eltern, kluge Kinder. Blöde Eltern, blöde Kinder. Ich selbst bin ein Kind gemischter Vorfahren. Vater war brillant, Mutter eine irische Schönheit von sehr schlichtem Geist. Sie lebte in einer Welt, wo diese Kombination die perfekte Gastgeberin auszeichnete. Vaters Ausstellungsstück.«
    »Ihre Beziehung zu McCaffrey«, sagte ich scharf. »Meine Beziehung? Ach, ganz einfach: Leben und Tod.« Er lachte. Es war das erste Mal, daß ich ihn lachen hörte, und ich hoffte, es war auch das letzte Mal. Dieses Lachen hatte einen schrillen Ton, eine schauerlich falsche Note mitten in einer Symphonie.
    »Ich habe mit Lilah und Willie junior im dritten Stock des Wohnheims im Jedson College gelebt. Stuart und Eddy hatten ein gemeinsames Zimmer im

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