Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
kam heraus. »Doktor Delaware?« Ich stand auf.
    »Tim Kruger.« Wir schüttelten uns die Hände. Er war klein, Mitte bis Ende zwanzig und gebaut wie ein Ringer, alles hart und knotig und mit den entscheidenden, zusätzlichen Muskelsträngen an den strategisch wichtigen Stellen. Sein Gesicht war wohlgeformt, aber etwas zu gleichmütig und ausdruckslos, wie eine Lebkuchenfigur, die man nicht lange genug gebacken hatte. Ein kräftiges Kinn, kleine Ohren, eine herausragende, gerade Nase von einer Form, die in mittleren Jahren knollig zu werden versprach, der Teint eines Mannes, der viel Zeit im Freien verbrachte, gelblichbraune Augen unter buschigen Brauen, eine niedrige Stirn, die fast völlig verborgen war unter einem dichten Büschel sandfarbenen Haars. Er trug eine weizenfarbene Sporthose, ein hellblaues, kurzärmeliges Hemd und eine blau und braun gestreifte Krawatte. An seiner Brusttasche war ein Schildchen befestigt, auf dem stand ›T. Kruger, M. A., Direktor, Beratung‹. »Eigentlich hatte ich einen älteren Mann erwartet, Doktor. Sagten Sie nicht, Sie seien im Ruhestand?«
    »Ja, das bin ich. Wissen Sie, ich wollte es früh genug haben, zu einer Zeit, wo man es noch genießen kann.« Er lachte herzlich darüber.
    »Es spricht einiges dafür, da gebe ich Ihnen recht. Sie hatten hoffentlich keine Schwierigkeiten, herzufinden?«
    »Nein. Ihre Anweisungen waren hervorragend.«
    »Prima. Dann können wir mit der Tour beginnen, wenn es Ihnen recht ist. Reverend Gus ist irgendwo auf dem Gelände.
    Er dürfte gegen vier Uhr hier sein, um Sie zu begrüßen.«
    Er hielt mir die Tür auf.
    Wir überquerten den Parkplatz und kamen auf einen Kiesweg. »La Casa«, begann er, »liegt in einem Gelände, das insgesamt siebenundzwanzig Morgen umfaßt. Wenn wir hier stehenbleiben, können wir die gesamte Anlage gut überblicken.« Wir waren auf dem Gipfel einer kleinen Anhöhe und schauten hinunter auf Gebäude, einen Spielplatz, gewundene Wege und einen Vorhang von Bergen im Hintergrund. »Von diesen siebenundzwanzig sind allerdings nur fünf Morgen bebaut. Der Rest ist offenes Land, und wir meinen, das ist wunderbar für die Kinder, von denen viele aus der Enge der Stadt kommen.« Ich sah die kleinen Gestalten, die in Gruppen herumspazierten, Ball spielten oder allein im Gras saßen. »Im Norden« - er zeigte auf weite, freie Felder- »ist das Gelände, das wir ›die Wiese‹ nennen. Dort wachsen derzeit überwiegend Luzerne und Gras, aber es gibt Pläne, noch in diesem Sommer dort einen Gemüsegarten anzulegen. Im Süden ist das Wäldchen.« Er zeigte auf die Bäume, die ich vom Büro aus gesehen hatte. »Das ist ein geschützter Wald, ideal’für Naturwanderungen. Da draußen gibt es überraschend viele wildlebende Tiere. Ich selbst stamme aus dem Nordwesten, und bevor ich hierherkam, dachte ich immer, das wildeste Leben in Los Angeles findet auf dem Sunset Strip statt.« Ich lächelte.
    »Die Gebäude dort drüben sind die Schlafstätten.« Er drehte sich herum und zeigte auf eine Gruppe von zehn großen Nissenhütten. Wie das Verwaltunsgebäude, waren auch sie bemalt, die Wellblechwände geschmückt mit Regenbogenmustern, was dem Ganzen einen bizarr-optimistischen Eindruck verlieh.
    Er drehte sich wieder um, und mein Blick folgte seinem Arm. »Das ist unser Swimmingpool in olympischen Maßen. Eine Stiftung von Majestic Oil.« Der Pool schimmerte grün, ein Loch in der Erde, gefüllt mit Zitronengelee. Ein einsamer Schwimmer zog durch das Wasser und ließ hinter sich eine schaumige Spur entstehen. »Und dort drüben sind Krankenstation und Schule.«
    Mir fiel eine Gruppe von bunkerartigen Schlackesteinbauten am entlegenen Ende des Geländes auf, dort, wo das bebaute Gebiet an das Wäldchen grenzte. Er erklärte nicht, was das für Gebäude waren.
    »Sehen wir uns die Schlafstätten an.«
    Ich folgte ihm den Hügel hinunter und nahm das idyllische Panorama in mich auf. Das Gelände war gepflegt, und überall herrschte lebhafter, doch zugleich gut organisierter Betrieb. Kruger ging mit langen, muskelbetonten Schritten, reckte das Kinn dabei in den Wind und ratterte Fakten und Zahlen herunter, wobei er die Philosophie der Institution beschrieb als eine, die »Struktur und Routineordnung mit einer kreativen Umwelt verbindet und somit eine gesunde Entwicklung möglich macht‹. Er gab sich in resoluter Weise positiv - über La Casa, seinen Job, den Reverend Gus und die Kinder. Einzige Ausnahme war eine ernste Klage über die

Weitere Kostenlose Bücher