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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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ging einen Schritt nach vorn, wobei ich mich mit unerträglicher Langsamkeit vorwärtsbewegte, um mit meinen Schuhen nur ja keinen Quietscher auf dem Linoleumboden zu erzeugen. Ich kniete mich hin, nahm das Briefchen vom Boden auf und klappte den Deckel hoch.
    ICH
SEHE
DICH
IMMER
NOCH .
    Ein Rumpeln rechts von mir, und dann streckte mich auch schon ein heftiger Schlag zu Boden. Die Sekunden dehnten sich, die Schärfe des Schmerzes verlieh den Dingen eine intensive Klarheit. Meine Spucketröpfchen auf den Bodendielen. Mein Kugelschreiber, der vor meinem linken Auge riesenhaft nach oben ragte und erst beim Davonrollen wieder in eine normale Perspektive kam. Ein Arbeiterstiefel, der über einer steifen Lederlasche fest zugeschnürt war.
    Mich beherrschte nur ein einziger Instinkt: Du darfst dich nicht angreifen lassen, während du noch am Boden liegst.
    Gerade eben hatte ich erst das Holz an meiner Wange gespürt, da sprang ich auch schon federnd auf die Füße und ging mit verschwommener Sicht in Kampfstellung, wobei ich verzweifelt versuchte, mich trotz der Bewegung und dem Pochen in meinem Kopf auf irgendetwas zu konzentrieren. Dann hörte ich plötzlich ein leises Kichern, und Morton Frankel trat vor mich, klappte sein Messer auf und ließ es mit der Feder wieder zuschnappen. Die Tür des Kleiderschranks hinter ihm stand offen.
    Ohne zu zögern ging ich auf ihn los. Wer mit der Selbstzerstörung auf Du und Du ist, braucht keinen Mut mehr. Wenn einem erst mal ein Dreiviertelliter Tequila Gran Patrón aus dem Magen gepumpt worden ist, dann erwartet man weder von Gott noch vom Schicksal oder von sich selbst besondere Sorge um die Erhaltung der eigenen Person. Also war es nicht wirklich Mut. Ich hatte nur meine Erwartungen an die Sicherheiten im Leben heruntergeschraubt.
    Ich holte aus und schlug ihm mit dem einen Arm auf die Hand, mit der er das Messer hielt, während ich gleichzeitig meine Stirn auf seine Nase niedersausen ließ. Ich traf aber nicht ganz, sondern erwischte stattdessen sein Kinn. Er fuhr herum und zielte mit dem Messer auf meine Seite, doch ich bekam gerade noch sein Handgelenk zu fassen, und wir stürzten beide zu Boden. Keine direkten Fausthiebe, keine Kung-Fu-Tricks, nur Streiftreffer und Gerangel und beinahe sofortige Erschöpfung. Wir jagten uns durch den schmalen Flur, rangelten um die bessere Position, bewegten uns wie in eine Art durchdachten Zeitlupe, während unsere Kleider schon ganz verrutscht und wir völlig außer Atem waren. Er arbeitete sich methodisch einen Vorteil heraus, rammte mir sein Knie in die Seite, lehnte sich über mich und drehte sein verschwitztes Handgelenk in meiner Umklammerung, um die Hand freizubekommen. Unsere Gesichter waren sich so nahe, dass wir uns hätten küssen können, ein Schweißtropfen drohte ihm von der Nasenspitze zu fallen, und seine gebleckten Zähne sahen aus der Nähe grotesk aus. Der bittere Geruch seiner Haut – Fabrikschmutz und chemische Seife – schwängerte die Luft auf dem engen Korridor. Schließlich konnte er seinen Unterarm über meinen Nasenrücken pressen und seine Hand mit dem Messer befreien. Ich ruderte mit einem Bein durch die Luft, erwischte den Metallspind und konnte den Fuß schließlich gegen die Wand stemmen und mir damit besseren Halt verschaffen. Ich versetzte Frankel einen Stoß, fiel vornüber und versuchte, seinen Arm im Sturz festzuhalten.
    Mit einem Ruck entriss er mir seine Hand mit dem Messer.
    Ich lag auf dem Bauch, Frankel saß auf mir und hatte beide Hände frei. Das Messer war aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich kroch über die Dielen vorwärts, aber er war zu schwer, und ich bockte wie ein Pferd, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er stützte sich mit dem Knie an der Wand ab und bekam so sicheren Halt. Als er den Arm hob, um zuzustechen, hörte ich seinen lauten Atemzug und das leichte Rascheln seiner Kleidung.
    Mein entwischter Kugelschreiber vollführte ein paar lethargische Drehungen auf dem Boden. Als ich die Hand nach ihm ausstreckte, erwischte ich ihn so gerade eben mit den Fingerspitzen. Ich umschloss das Plastikgehäuse mit der Faust, drehte mich so weit ich konnte nach hinten und rammte Frankel die Spitze des Schreibers in die Außenseite seines Oberschenkels. Er stieß ein Zischen aus, seine Hand mit dem Messer wurde durch den Schwung meiner Drehung aus ihrer Bahn gebracht und rammte die Klinge in die Wand, so dass ein kleines Wölkchen Putz aufwirbelte. Ich rammte meinen Handballen nach oben

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