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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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musterte mich weiter mit schief gelegtem Kopf. »Wie geht’s dir jetzt, wo du aus dem Knast raus bist?« Er schien sich schon verwandelt zu haben – in den toughen Verbündeten mit den knallharten Sprüchen.
    »Aus dem Gleichgewicht.« Ich zuckte die Achseln. »Laut meinem Horoskop liegt das daran, dass Jupiter derzeit im zwölften Haus steht.«
    »Das ist wirklich schlimm«, sinnierte er. »Als ich klein war, hatten wir mal ein Opossum bei uns in der Scheune.« Preston ist in einer Akademikerfamilie in Charlottesville aufgewachsen, und ab und zu lässt er bäuerliche Ausdrücke in die Konversation einfließen. Wenn jemand Apartments in Manhattan und West Hollywood besitzt, passen Anspielungen auf Scheunen und Opossums zwar schlecht ins Bild, aber wenn man Prestons affektierte Gewohnheiten wegstrich, bliebe ja niemand mehr zum Streiten übrig.
    Er sah sich um und verschränkte die Arme. Dem Chaos in meinem Haus stand er hilflos gegenüber. »Ich schätze, in Anbetracht der Umstände reißt du dich wohl einigermaßen zusammen«, räumte er ein.
    »Mein Leiden hat einen edleren Menschen aus mir gemacht.«
    Er schürzte die Lippen und sah mich an, als könnte das vielleicht nicht stimmen.
    »Danke, dass du dich um meine Post gekümmert hast«, sagte ich. »Ganz abgesehen davon, dass du die Refinanzierung für meine Hypothek mit unterschrieben hast.«
    Preston winkte ab – keine Zeit für Nettigkeiten –, dann deutete er mit einem Kopfnicken auf meinen verpflasterten Fuß. »Was ist denn da passiert?«
    »Ich habe mich selbst mit einem Filetiermesser geschnitten?«
    »Oh, natürlich.
Warum?
«
    »Weil ich durchgedreht bin.«
    »Warum erzählst du mir nicht die Hintergrundgeschichte?«
    Er heuchelte Geduld, während ich die bizarren Ereignisse der letzten Nacht zusammenfasste. Als ich fertig war, sagte er: »Ich mach mal eine Tasse Tee.« Er verschwand in der Küche, dann rief er: »Hast du hier irgendwo Zitronen?«
    »Versuch’s mal im Kühlschrank.«
    Ein paar Minuten später kam er mit einem Glas Eiswürfel und der Flasche Havana Club zurück, die er von einer angeblichen Recherchereise in Kuba nach Hause geschmuggelt hatte. Und mir als wow-echte-Schmuggelware-Souvenir überreicht hatte, um sie danach in meiner Küche zu verstecken, damit andere Gäste sich nicht bedienen konnten. Nachdem er sich auf den längeren Teil meines L-förmigen Sofas gesetzt hatte, nippte er an seinem Rum. Mit leichter Gereiztheit nahm ich zur Kenntnis, dass er mir nichts angeboten hatte.
    »Solltest du nicht in New York sein?«, fragte ich.
    »Ich habe meine Dienstreise verlängert.« Verschlagenes Grinsen. »Ich werde die nächsten paar Monate hierbleiben und redigieren, also kann ich dich unterstützen.« Er schlug seine manikürten Nägel leicht gegeneinander. »Hör mal, Drew, ich will dich nicht anlügen. Ich weiß nicht, ob du es getan hast oder nicht. Aber eins weiß ich ganz sicher: Wenn ich du wäre und auch nur den kleinsten Zweifel an meiner Schuld hätte, dann würde ich nicht hier rumsitzen.«
    »Was würdest du dann tun?«
    »Nachforschungen anstellen.«
    »Dann besorg mir doch bitte einen Gerichtsmediziner, eine gründliche Blutuntersuchung und eine Filmaufzeichnung vom Canyon.«
    »Spiel hier nicht den Schlauberger. Das kannst du dir nicht leisten. Du bist vielleicht frei, aber die Öffentlichkeit betrachtet dich als Mörder. Das bleibt an dir kleben, und im Gegensatz zu O.J. Simpson kannst du dich nicht einfach auf den Golfplatz zurückziehen und von deiner exorbitanten Rente leben. Wenn du das Urteil akzeptierst, bitte. Aber wenn du das Urteil
nicht
akzeptierst, dann musst du diesen Tumor beiseiteschieben und tiefer nachforschen, um dich zu entlasten.« Nachdenklich zerkaute er einen Eiswürfel. »Die Geschichte, die du im Moment in der Mangel haben solltest, ist die Geschichte, die
dich
gerade in der Mangel hat.«
    Er trank noch einen Schluck, und die Eiswürfel klirrten melodisch gegen das Glas. Er war zwar völlig unfähig, sein eigenes Leben zu managen, aber glücklich, meines managen zu können. Würde er mich wohl in die Gummizelle managen? Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück und musterte die weiße Zimmerdecke.
    »Katherine Harriman hat dich sehr wirkungsvoll als Mörder hingestellt«, fuhr er fort. »Aber dieser Blödsinn mit geistiger Unzurechnungsfähigkeit ist vielleicht nicht die wahre Version der Geschehnisse. Und wenn sie das nicht ist, dann musst du
deine
Geschichte finden.

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