Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
wurde ja der Transpazifikdienst der viermotorigen China-Clipper aufgenommen. Der Ford-Dreitakter ist ein elf Jahre alter Flieger, ein Relikt für die heutigen Menschen, und der Doppeldecker, mit dem ich gekommen bin, ist für sie ebenfalls ein Museumsstück. Und auÃerdem: Der LaSalle, den ich hatte â bevor er sich noch weiter zurückbildete -, war ein tolles Ding. Es machte richtig SpaÃ, ihn zu fahren.
»Und was ist mit Russland?«, fragte Mr. Bliss in diesem Moment. »Im Krieg, meine ich. Werden wir die Roten ausmerzen? Können Sie so weit voraussehen?«
»Russland wird auf derselben Seite kämpfen wie die USA«, murmelte Chip, während er an all die anderen Objekte und Artefakte dieses Zeitabschnitts dachte. An die medizinische Versorgung würden sie sich wohl erst gewöhnen müssen â begann man nicht jetzt gerade mit der Anwendung von Sulfonamiden? Sollten wir krank werden, hört der Spaà wohl auf, vor allem im Fall einer Zahnbehandlung â sie benutzen hier immer noch die heiÃen Bohrmaschinen und geben Novokain. Zahnpasta mit Fluor gibt es noch nicht, das kommt erst in zwanzig Jahren.
»Auf derselben Seite? Die Kommunisten?«, stotterte Bliss mit zorngerötetem Gesicht. »Das ist unmöglich. Sie haben doch einen Pakt mit den Nazis geschlossen.«
»Deutschland wird diesen Pakt brechen«, erwiderte Chip. »Hitler wird die Sowjetunion im Juni 1941 angreifen.«
»Und sie hoffentlich dem Erdboden gleichmachen.«
Das riss Chip endgültig aus seinen Gedanken. Aufmerksam beäugte er Mr. Bliss, der den neun Jahre alten Willys-Knight steuerte.
»Die Kommunisten sind die wahre Bedrohung«, sagte er nun. »Nicht die Deutschen. Wissen Sie, wem es zugutekommt, wie sie die Juden dort behandeln? Den Juden hierzulande! Etliche von ihnen sind keine Amerikaner, sondern Flüchtlinge, die von der staatlichen Wohlfahrt leben. Ich finde, die Nazis sind ein bisschen zu weit gegangen in dem, was sie den Juden angetan haben, aber im Grunde hat es die Judenfrage schon immer gegeben und irgendetwas musste getan werden, wenn es auch nicht so abscheulich hätte sein müssen wie diese Konzentrationslager. Wir haben hier in den USA ein ähnliches Problem, sowohl mit Juden wie mit Niggern. In beiden Fällen müssen wir irgendwann etwas unternehmen.«
»Den Ausdruck âºNiggerâ¹ habe ich noch nie gehört.« Chip begann, diesen Zeitabschnitt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. An das alles habe ich überhaupt nicht gedacht, erkannte er.
»Lindbergh hat hinsichtlich Deutschland absolut recht«, fuhr Bliss fort. »Haben Sie ihn jemals sprechen hören? Ich meine nicht das, was die Zeitungen daraus machen, sondern tatsächlich â¦Â« Er brachte den Wagen vor einem Haltesignal zum Stehen. »Und nehmen Sie Senator Borah und Senator Nye. Wenn es sie nicht gäbe, würde Roosevelt Waffen an England verkaufen und uns in einen Krieg hineinziehen, der nicht unser Krieg ist. Roosevelt will das Waffenembargo aus
dem Neutralitätsgesetz auÃer Kraft setzen, er will uns in einen verdammten Krieg verwickeln. Aber die Amerikaner werden ihn nicht unterstützen. Den Amerikanern liegt nichts daran, Englands Krieg zu führen â oder irgendeinen anderen Krieg.« Das Signal rasselte und schaltete auf Grün. Der Willys-Knight rumpelte weiter, hinein in den mittäglichen Verkehr von Des Moines.
»In den nächsten fünf Jahren werden Sie nicht viel Freude haben«, sagte Chip.
»Warum nicht? Ganz Iowa denkt so wie ich. Wissen Sie, was ich von Ihnen und den anderen Angestellten Mr. Runciters halte? Ich denke, Sie alle sind professionelle Aufwiegler.« Blissâ Augen blitzten herausfordernd.
Chip erwiderte nichts darauf. Er sah die altertümlichen Ziegel-, Holz- und Betonhäuser vorbeiziehen und die merkwürdigen Autos, von denen die meisten schwarz waren, und fragte sich, ob er wohl der Einzige aus der Gruppe war, der mit diesem speziellen Aspekt der Welt von 1939 konfrontiert wurde. In New York würde es wohl anders sein. Das hier ist der Bible Belt, der isolationistische mittlere Westen. Hier werden wir nicht leben, sondern an der Ost- oder an der Westküste.
Er spürte allerdings, dass er gerade auf ein entscheidendes Problem gestoÃen war. Wir wissen zu viel, um in diesem Zeitabschnitt leben zu können, dachte er. Hätten wir uns nur zwanzig oder dreiÃig
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