Blankes Entsetzen
nervös.
»Stimmt etwas nicht?« Er öffnete die Tür und ließ sie vorausgehen, bekam einen Hauch diskreten Parfumdufts in die Nase, legte seine Aktentasche ab und blickte sie erwartungsvoll an.
»Es gab einen kleinen Sicherheitsverstoß«, sagte Alicia, »im 291
Computersystem.«
Christopher runzelte die Stirn. »Das fällt doch eher in Ihr Arbeitsgebiet, oder?«
»Ja, sicher.« Sie hatte immer noch diesen unruhigen Blick, und zwischen ihren sorgfältig gezupften Augenbrauen zeigte sich eine Falte. »Ich habe natürlich alles durchgecheckt, aber …«
Die Pause irritierte Christopher, der auf eine ruhige Tasse Kaffee und ein Telefonat mit Jack vor seiner ersten Operation gehofft hatte. »Raus damit, Alicia.«
Alicia, die es nicht gewöhnt war, dass ihr Chef auf diese Weise mit ihr sprach, hob das Kinn. »Dann will ich Ihnen den Grund nennen, weshalb ich Sie damit belästige«, sagte sie.
»Eine der Akten, auf die ohne Berechtigung zugegriffen wurde, war die Patientenakte von Mrs Wade.«
»Lizzies Akte?« Christopher war verblüfft. »Sind Sie sicher?«
»Ich fürchte ja«, wagte Alicia sich weiter vor. »Ich habe innerhalb eines vernünftigen Rahmens alle geeigneten Maßnahmen ergriffen, um dafür zu sorgen, dass nie wieder etwas Ähnliches passieren kann …«
»Innerhalb eines vernünftigen Rahmens?« Christophers bohrender Blick ließ seine Verärgerung erkennen.
»Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Hacker versucht, auf unsere Akten zuzugreifen, weil wir … sagen wir mal, einen Popstar oder einen Fußballer hier in Behandlung haben …«
»Ich weiß nichts von Fußballern«, sagte Christopher kühl,
»aber das Beauchamp hatte mit Sicherheit schon seinen Teil an großen Namen. Und nur für den Fall, dass Sie es vergessen haben, Alicia – meine Frau ist auch nicht ganz unbekannt.«
»Aus diesem Grund dachte ich, Sie wollten vielleicht eine Sicherheitsfirma beauftragen«, sagte Alicia. »Jemand, der uns den bestmöglichen Schutz gewährleistet.«
Christopher ging langsam auf die andere Seite seines eleganten 292
Mahagoni-Schreibtisches und setzte sich. »Auf wie viele andere Patientenakten wurde zugegriffen?«
»Auf keine.« Alicias Gesicht rötete sich leicht. »Das ist ja das Seltsame. Alle Akten scheinen im Zusammenhang mit den Abteilungen zu stehen, die mit dem Aufenthalt Ihrer Frau zu tun hatten.«
»Abteilungen?« Seine Verärgerung wuchs.
»Anästhesie«, erklärte sie, »Aufwachraum, Pflegepersonal …«
»Schon gut«, knurrte er. »Ich habe verstanden.«
»Ich habe mich gefragt«, fuhr Alicia fort, »ob Sie die Polizei rufen möchten?«
»Großer Gott, nein«, sagte Christopher.
Sie sah ihn überrascht an. »Aber es erschien mir sehr persönlich … ein Eingriff in die Privatsphäre. Wenn man früher in unsere Aktenschränke eingebrochen hätte …«
»Ja«, sagte er. »Ich weiß, was Sie meinen. Und ich werde darüber nachdenken, diese Sicherheitsleute zu holen.«
»Nicht die Polizei?«
»Nein. Schon wegen Lizzie nicht. Sie ist gerade erst über all das hinweg, und ich glaube, diese Geschichte würde sie sehr aufbringen.« Er brachte ein Lächeln zustande.
»Lizzie bringt in Kürze ein neues Buch heraus und geht auf Werbetournee. Sie hat mehr als genug am Hals.«
»Ja, natürlich.« Alicia überlegte. »Glauben Sie, es könnte ein Journalist gewesen sein? Der nach einer kleinen Neuigkeit für einen nachrichtenschwachen Tag gesucht hat?«
»In diesem Fall dürfte er enttäuscht gewesen sein, nehme ich an«, sagte Christopher. »Viel zu langweilig.«
»Gott sei Dank«, sagte Alicia.
»Allerdings«, stimmte Christopher zu.
293
63.
andra hatte eine unerträgliche Nacht hinter sich.
S Sie war irgendwann ins Bett gegangen, erleichtert, endlich ein bisschen Zeit für sich zu haben und zu wissen, dass Irina fest schlief, sodass sie mit der grotesken Parodie der Semi-Normalität, in die man sie gezwungen hatte, aufhören konnte. Aber so erschöpft sie auch war – sie fand keine Ruhe.
Als sie im Bett lag, stürzten die Wahrheiten mit solch erdrückendem Gewicht auf sie nieder, dass sie Sandra zu zerquetschen schienen, und sie schlief kaum. Und wenn, fiel sie für kurze Zeit in einen flachen Dämmerschlaf, aus dem sie immer wieder mit neuem Grauen und klopfendem Herzen hochschreckte.
Dann schlug die Realität wieder zu.
Joanne.
Sie war nicht da. Und sie würde nie wieder kommen.
Da die Durchsuchung des Hauses in Chingford Hatch offenbar abgeschlossen war, kehrten
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