Blaubeertage (German Edition)
eher bernsteinfarben aussehen.« Ich würde mir am liebsten in den Hintern treten, weil ich zugegeben habe, dass mir das aufgefallen ist, ganz besonders, als sein Grinsen breiter wird.
»Na gut, ich muss hier rein.« Ich zeige auf die alte High-school rechts neben mir. Sie wurde vor fünfundsiebzig Jahren gebaut, und auch wenn sie von der Architektur her ganz hübsch ist, weil sie selten in der Stadt geworden ist, könnte der Bau definitiv eine Renovierung vertragen.
Er schaut sich das Gebäude genau an. Ich wippe unbehaglich hin und her und frage mich, was er denkt. Frage mich, warum es mir nicht egal ist, was er denkt. Wahrscheinlich geht er auf eine der beiden Privatschulen in der Stadt. Ja, so viele Reiche wohnen hier – genug, dass in einem kleinen Küstenort Bedarf für zwei private Highschools besteht.
Sein Blick schweift zu mir zurück. »Bis später dann.«
»Meinst du mit später, dass du um zwölf Uhr wieder hier stehst, um mich nach Hause zu begleiten? Weil ich mir nämlich nicht sicher bin, ob ich dich zweimal am Tag ertragen kann.«
Er seufzt tief. »Und meine Großmutter findet dich süß.« Dann legt er seine Stirn ein wenig in Falten. »Eure Schule ist schon um zwölf aus?«
»Na ja, nicht für alle, aber ja, ich darf um zwölf gehen.«
»Wieso das denn?«
»Äh …« Ich zeige mit meiner Hand in Richtung Laden. »Freistellung vom Unterricht, damit ich arbeiten kann.«
Seine Augen werden groß. »Du verpasst deinen halben Tag Schule, damit du im Laden arbeiten kannst?«
»Ist keine große Sache … war meine Idee … Es macht mir wirklich überhaupt nichts aus auszuhelfen.« Mir ist klar, dass ich Phrasen dresche, denn tief in mir drin macht es mir schon etwas aus – sehr viel sogar. Ich spare mir also eine Ausrede und sage stattdessen: »Ich geh dann mal lieber.«
»Okay. Tschau, Caymen.« Er dreht sich um und geht zurück zu seinem Auto, ohne sich noch einmal umzudrehen.
»Caymen«, sagt Mr Brown, als ich ein paar Minuten zu spät in die Chemiestunde komme.
»Tut mir leid, ich hab mich in einem Dornenzweig verheddert und musste mich erst befreien.« Was tatsächlich irgendwie wahr ist.
»Auch wenn deine Ausreden bei Weitem die kreativsten sind, ist das nicht der Grund, warum ich dich angesprochen habe.«
Der Rest der Klasse ist bereits mitten in einem Versuchsaufbau und mir juckt es in den Fingern. Es sieht so aus, als wären echte Chemikalien mit im Spiel.
Mr Brown muss mein Blick aufgefallen sein, denn er fügt hinzu: »Es dauert bloß eine Sekunde.«
Widerstrebend gehe ich zu seinem Pult.
Er schiebt mir mehrere Zettel über den Tisch zu. »Das hier ist das College, von dem ich dir erzählt habe. Es ist auf Mathe und Naturwissenschaften spezialisiert.«
Ich greife nach den Zetteln. »Ach ja, danke.« Gleich zu Beginn des Schuljahrs habe ich die Erfahrung gemacht, dass es einfacher ist, das Spielchen der Lehrer mitzuspielen, wenn es ums College geht, als zu versuchen, ihnen zu erklären, dass ich erst einmal nicht vorhabe, mich zu bewerben. Ich stopfe die Prospekte in den Rucksack und setze mich an meinen Labortisch. Am Anfang des Schuljahres hatten wir eine ungerade Zahl von Schülern in der Klasse. Mr Brown hatte gefragt, ob einer freiwillig alleine arbeiten möchte. Ich hatte meine Hand gehoben. Mir ist es viel lieber, die Versuche alleine zu machen, als dass mir jemand dazwischenpfuscht. Es ist viel einfacher, wenn man nicht von jemandem abhängig ist.
Am nächsten Morgen wartet Xander wieder draußen vor dem Laden und lehnt dabei lässig an einem Laternenpfahl, als wären wir unser ganzes Leben lang zusammen zur Schule gegangen. Er trinkt einen Schluck von meiner heißen Schokolade und reicht sie mir, während wir losmarschieren.
Ich nehme einen großen Schluck und verbrenne mir die Kehle. So kann das nicht weitergehen. Er muss unbedingt verschwinden, damit ich wieder in mein normales Leben zurückkehren und mich über Leute wie ihn lustig machen kann. Er sollte dringend damit aufhören, dass ich mich seinetwegen auf jeden Morgen freue. »Also gut, Mr Spence, Ihr ältester Bruder ist Anwalt, Ihr mittlerer geht auf irgendein Schickimicki-College. Was bringt Ihre Zukunft?«
»Mir geht’s da irgendwie wie dir.«
»In welchem Universum?«
Er scheint das für einen Witz zu halten und lacht. »Von mir wird erwartet, dass ich das Familienunternehmen übernehme.«
»Wie kommst du darauf, dass das bei mir genauso ist?«
»Du arbeitest dort, du wohnst dort, du hilfst, das
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