Blaubeertage (German Edition)
denen sie dich in ihr Auto locken, damit sie dich entführen können. Ich bin froh, dass du dich von so was nicht hereinlegen lässt.«
»Ich meinte damit deinen Sarkasmus. Ich weiß, dass du den manchmal benutzt, um dahinter etwas zu verstecken.«
»Du traust mir zu viel zu. Ich bin wirklich so geistlos, wie es aussieht.«
»Wohl kaum. Und die Antwort auf deine Frage ist Ja. Ja, ich glaube schon, dass dein Vater versucht hat, dich zu finden. Welcher Vater würde denn nicht seine Tochter kennenlernen wollen?«
»Der, der sich beim bloßen Gedanken an mich aus dem Staub macht.« Ich hab keine Ahnung, warum ich darüber spreche. Es hat seine Gründe, warum ich dieses Thema normalerweise meide. Es fühlt sich an, als würde man mich überall mit einer Nadel piksen und mich verletzt und ungeschützt zurücklassen.
»Wenn er dich gekannt hätte, hätte er nicht gehen können.«
Ich schließe meine Augen. Was für ein Mann geht denn einfach? Und lässt meine Mom in diesem Zustand im Stich? Ein Mann, der furchtbare Angst hatte, Angst, dass ich seine Zukunft ruiniere. Ich habe eine Zukunft ruiniert. Meine Mom ist der Beweis dafür. Mal im Ernst, er war doch bloß ein Junge: mit einer glorreichen Zukunft und all dem Geld, das man dazu braucht. Wahrscheinlich war er Xander sehr ähnlich. Und deshalb hat meine Mom mit Xander ihre Vergangenheit wieder vor Augen gehabt. »Hättest du gehen können?«
»Niemals.«
Fühle ich mich damit nun besser oder eher das Gegenteil?
»Das ist auch der Grund, warum ich glaube, dass er es versucht hat, Caymen. Reue vergeht nicht einfach.«
Wenn man davon ausgeht, dass er es überhaupt bereut. »Wie schwer kann es sein, mich zu finden?«
»Vielleicht hat dir deine Mom nicht erzählt, dass er es versucht hat?«
»Meine Mom würde mir so etwas nicht verheimlichen.« Während ich das sage, fällt mein Blick auf den Kalender, in dem sie sich ihre Versammlung notiert hat. Vielleicht verheimlicht sie mir ja doch etwas. Und wenn sie es tut, dann hat Xander wahrscheinlich recht. Vielleicht verheimlicht sie mir eine Menge Dinge. »Was hast du Mittwochabend vor?«
»Eigentlich nichts.«
»Berufsinformationstag. Halb sieben. Wir treffen uns hier.«
»Ich bin dran mit dem Berufsinformationstag. Ich habe doch für morgen schon etwas geplant, schon vergessen?«
»Okay, abgemacht. Morgen du. Mittwoch ich.« Ich räuspere mich. »Es sei denn, es wird zu viel. Du handelst dir doch keinen Ärger ein, wenn du dich so oft mit mir triffst, oder?« Am liebsten möchte ich noch hinzufügen: »Freundinnen können nämlich ganz schön eifersüchtig werden«, aber ich verkneife es mir, denn ich habe Angst, dass es verbittert klingen könnte. Das wäre das Letzte, was ich will.
»Nein, natürlich nicht. Ich hab dir doch schon gesagt, dass meine Eltern dich mögen.«
Daran habe ich keine Zweifel. Seine Eltern gehen ja auch nicht davon aus, dass wir zusammen sind. »Morgen Nachmittag würde mir besser passen als morgen früh.«
»Wie wär’s mit zwei?«
»Klingt gut. Wir sehen uns dann morgen.«
»Caymen?«
»Ja?«
»Du brauchst nicht aufzulegen. Ich habe Zeit, falls du noch ein bisschen reden willst.«
Der Knoten in meinem Magen löst sich bei diesen Worten. Ich will schon den Mund öffnen, da höre ich am anderen Ende der Leitung eine Mädchenstimme.
»Xander, was brauchst du so lange? Bist du am Telefon?«
»Ja, tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen. Ich bin gleich unten. Fünf Minuten noch.«
»Mit wem sprichst du denn?«
»Einer Freundin von mir.« Eine Tür wird geschlossen und dann wird seine Stimme im Hörer wieder lauter. »Tut mir leid.«
»Kein Problem. Klingt, als müsstest du los. Wir sehen uns morgen um zwei. Tschau.« Ich lege auf, bevor er mich daran hindern kann, und bin stolz, dass meine Stimme so ungezwungen klang, denn meine Kehle fühlt sich an, als hätte sie jemand im Würgegriff. Keine Telefonate mehr. Sie helfen nicht.
28.
I ch warte am Bordstein. Jede Minute, die es später als zwei Uhr wird, fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Vielleicht hat er es sich ja anders überlegt. Was, wenn ihm Sadie Newel zu verstehen gegeben hat, dass er sich spätabends nicht mehr mit Freundinnen unterhalten, geschweige denn Berufsinformationstage mit ihnen veranstalten darf.
Um 14 Uhr 07 biegt er um die Ecke. Er parkt und steigt aus.
»Hi«, sagt er.
»Hi.« Mein Körper reagiert wie üblich in seiner Gegenwart, mein Herzschlag wird schneller, eine Gänsehaut breitet sich auf
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