Blaubeertage (German Edition)
ist mit der Landung?«
»Okay, das Zweitschlimmste ist die Landung.«
Die Lichter in der Kabine werden dunkler, das Flugzeug kriecht vorwärts und bewegt sich auf die Startbahn zu. Xander malt mit seinem Daumen Muster um meinen Knöchel. Ich sollte eigentlich wegen des Fluges nervös sein, aber sämtliche Nervenenden in meinem Bein geraten bei seiner Berührung unter Strom. Ich sehe die Lichter an uns vorbeigleiten, die Maschine wird schneller und ich schließe meine Augen, als die Wucht des Abhebens mich in meinen Sitz drückt. Erst als der Flieger in die Waagerechte geht, entspanne ich mich.
Er lässt mein Fußgelenk los. »Siehst du. Kinderleicht.«
»Jetzt müssen wir nur noch landen.«
»Genau.«
Ich sehe mich um. »Flugzeuge haben doch Toiletten, richtig? Das ist nicht bloß in Filmen so?«
Er zeigt hinter mich. Als ich aufstehe und an ihm vorbeigehe, gerät das Flugzeug in eine Turbulenz und ich verliere das Gleichgewicht. Ich halte mich an Xanders Schulter fest.
»Ich bezahle sie gut, damit sie das genau zum richtigen Zeitpunkt machen«, sagt er. Sein Flirt-oder-nicht-das-isthier-die-Frage ist echt kaum auszuhalten. Ich bin nur Zentimeter davon entfernt, auf seinem Schoß zu landen. Ich müsste einfach nur ein bisschen nachhelfen und schon würde ich dort sitzen. Die Versuchung, genau das zu tun, ist wirklich stark. Er stützt mich, indem er seine Hand um meine Hüfte legt, nur hilft er mir nicht wieder hoch. Er lässt seine Hand einfach liegen und schaut mir in die Augen.
Jetzt ist meine Kehle aus anderen Gründen wie zugeschnürt. Und dann ruckt das Flugzeug wieder und es kann Einbildung gewesen sein oder meine Beine, die schwach werden, aber ich könnte schwören, dass er mich tatsächlich nach vorne gezogen hat, anstatt mich aufrecht zu halten. Denn jetzt sitze ich auf seinem Schoß und meine Hände liegen immer noch auf seinen Schultern.
»Hi«, sagt er.
»Tut mir leid.«
»Weswegen?«
»Weil du so gut flirten kannst.«
Er lacht. »Du bist diejenige auf meinem Schoß. Ich hab hier bloß unschuldig gesessen.«
»Dann war’s also das Flugzeug?«
»Natürlich.«
Ich versuche aufzustehen, aber er zieht mich wieder zurück.
»Mann, der Flug ist echt wacklig heute«, sagt er.
»Komisch aber auch.« Bloß finde ich es überhaupt nicht komisch. Eine rasende Wut überkommt mich. Er hat eine Freundin und flirtet trotzdem hemmungslos. Ich will nicht sein kleines, dreckiges Geheimnis sein. Wenn er sich einbildet, dass ich das bin, dann soll er sich auf was gefasst machen. »Lass mich hoch.«
Er muss an meiner Stimme gemerkt haben, wie ernst es mir ist, denn diesmal hilft er mir hoch. Ich schließe mich lange genug in der Toilette ein, um wieder zu mir zu kommen. Nach dem heutigen Abend muss ich über Xander Spence hinweg sein. Ich sage es immer wieder in meinem Kopf und dann noch einmal laut vor dem Spiegel. »Ich bin über Xander Spence hinweg.« Fast glaube ich es selbst, so überzeugend bin ich.
Ich kehre zu meinem Platz zurück.
»Ist dir kalt? Zu heiß? Hast du Hunger?«, fragt er.
»Nein, alles bestens.«
»Der Sitz lässt sich nach hinten klappen, falls du schlafen möchtest oder so.«
»Ist der Flug lang?«
»Nein, ungefähr eine Stunde.«
Wie weit ist das? Ich kann es nicht ausrechnen. Im Auto würden wir nicht viel weiter als bis Oakland kommen, aber in der Luft ist das etwas anderes.
»Schon irgendwelche Ideen?«
»Wozu?«
»Hast du dank deiner unglaublichen Bobachtungsgabe schon herausgefunden, wo wir hinfliegen?«
»Nein.« Es stört mich, dass er mich gut genug kennt, um zu wissen, dass ich mir darüber Gedanken gemacht habe. Ich stelle meine Rückenlehne nach hinten und tue so, als würde ich für den Rest des Fluges schlafen. Und weil ich so entschlossen bin, muss ich die Landung eben ohne seine Unterstützung überstehen.
»Das ist mein Bruder«, sagt er und zeigt auf den Mann, der uns zuwinkt, als wir aus dem Flugzeug auf das Rollfeld steigen. Ich drehe mich um und versuche, wieder ins Flugzeug zu klettern. »Hey, stopp«, sagt er und greift nach meiner Hand. »Du wirst ihn mögen.«
»Lucas.« Sie umarmen sich und klopfen sich kurz auf den Rücken. »Das ist Caymen Meyers.«
Lucas dreht sich zu mir und schüttelt mir ehrlich lächelnd die Hand. Und da ist noch etwas, das mich einfach nur verblüfft. Befreundet oder nicht, warum tut seine Familie so, als sei das alles so normal? Als würde es ihnen nichts ausmachen, dass Xander irgendein Mädel von der Straße
Weitere Kostenlose Bücher