Blaubeertage (German Edition)
meinen Armen und auf meinem Nacken aus.
Er blickt über meine Schulter in Richtung Laden und dann wieder zu mir. »Bist du so weit?«
Ich nicke.
Er greift mir unter den Ellenbogen. »Alles in Ordnung?«
Ich schaue ihm in die Augen und hätte am liebsten gesagt: »Nein, mir geht’s immer noch beschissen. Meine Mom hat vor mir Geheimnisse, in einem Monat bin ich wahrscheinlich obdachlos, mein Dad hat mich im Stich gelassen und du hast eine Freundin, von der wir beide so tun, als würde sie nicht existieren.«
Ich sage bloß: »Ja, wieso?«
Er glaubt mir wahrscheinlich nicht, denn er zieht mich an sich. Ich schließe meine Augen und atme seinen Geruch ein.
»Ich bin für dich da«, sagt er in mein Haar.
»Für wie lange?«, hätte ich gerne gefragt. »Du bist ein guter Freund«, sage ich stattdessen und winde mich aus seinen Armen.
Während der Fahrt schweigen wir, bis Xander in Richtung Flughafen abbiegt.
»Äh …« Ich schaue einem Flugzeug hinterher, das gerade abhebt, und richte dann meinen fassungslosen Blick auf Xander. »Fliegen wir irgendwohin?«
»Du hast doch keine Flugangst, oder?«
»Ich glaube nicht.«
»Du hast noch nie in einem Flugzeug gesessen?«
»Nein.« Und vielleicht habe ich doch Angst, denn meine Handflächen werden feucht.
»Echt jetzt?« Er sieht mich einen Moment lang nachdenklich an, als würde er ein Puzzle zusammensetzen.
»Du weißt doch, dass ich meiner Mom gesagt hab, dass ich heute Abend wieder zurück bin, oder?«
»Ja. Das bist du auch.«
»Okay.«
Es hätte mich nicht überrascht, wenn Xander sich in das Cockpit des Privatjets gesetzt hätte, in den wir steigen, und die Triebwerke selbst gestartet hätte. Aber Gott sei Dank tut er es nicht. Ein Pilot wartet auf uns.
Wir nehmen zwei Sitzplätze ein, die sich gegenüberliegen. Er holt eine Flasche Wasser aus einem Schrank unter seinem Sitz, trinkt einen Schluck und reicht sie mir. Dann holt er sich eine eigene Flasche.
»Getränke, aus denen schon ein Schluck getrunken wurde? Was für ein Bordservice.«
Ich werde mit einem Lächeln belohnt, allerdings nur einem kurzen. Ich versuche, mir etwas einfallen zu lassen. Er soll noch einmal lächeln. Das lenkt mich so gut ab und außerdem habe ich sein Lächeln vermisst. Ich sollte ihm das sagen. Ich lasse es bleiben.
Er hat seine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm seines Handys gerichtet und fängt an, eine SMS oder E-Mail oder sonst etwas zu schreiben. Ich streife meine Schuhe ab, ziehe einen Fuß hoch und lege ihn unter meinen Körper, versuche, es mir gemütlich zu machen und zu vergessen, dass ich in einem Flugzeug sitze das kurz davor ist, abzuheben.
Er rückt ein bisschen zur Seite und klopft auf den Platz neben sich. »Du kannst deine Füße ruhig hier drauflegen.«
»Du hast keine Fußphobie?«
»Gibt es so etwas?«
»Klar, das ist ein echtes Leiden. Es gibt dafür Selbsthilfegruppen, Therapeuten, das volle Programm.« Als ich meine Füße auf den Platz neben ihn lege, streife ich mit meinem Fußgelenk seinen Oberschenkel. »Und, hast du schon Hechelatmung? Einen beschleunigten Herzschlag?«
Er legt eine Hand auf meinen Fuß, während er weiter auf seinem Handy herumtippt. Unsere Blicke treffen sich und er lächelt belustigt. »Sind das die Symptome? Vielleicht habe ich doch Fußphobie.«
Warum bloß muss er so was sagen? Bevor ich ihn kennengelernt hatte, dachte ich immer, ich wüsste, wenn ein Junge mit mir flirtet. Aber er sagt solche Sätze so mühelos, dass man nur schwer sagen kann, ob eine Absicht dahintersteckt oder ob er nur bei meinen Witzen mitmacht.
Vielleicht sollte ich ihn einfach fragen, rundheraus. Was hält deine Freundin eigentlich von mir? Das ist eine berechtigte Frage. »Xander?«
»Ja?«
»Was …«
Er legt sein Handy weg und widmet mir seine volle Aufmerksamkeit.
»Was spielst du da auf deinem Handy? Scrabble?« Ich bin so ein Feigling. Wenn das Thema erst einmal heraus ist, fängt er ja vielleicht mal an, mich zu behandeln, als hätte er eine Freundin.
Und das will ich nicht. Das ist das Problem.
Er lacht. »Nein. Ich hab ein paar Angebote für die Homepage gecheckt, bevor ich die Verbindung verliere. Aber tut mir leid, ich höre auf. Ich bin echt unmöglich.«
»Nein. Kein Problem.« Die Triebwerke draußen neben dem Fenster heulen auf und ich verkrampfe mich.
Er steckt sein Handy ein und umfasst mein Fußgelenk. »Am schlimmsten ist der Start. Wenn wir erst einmal in der Luft sind, spürst du quasi nichts mehr.«
»Was
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